Montag, 17. Januar 2011

Bhaktapur - Made in Nepal


Nicht nur die Architektur, auch das Tagewerk in Bhaktapur zeugt vom Alter der Stadt und einem hohen Traditionsbewusstsein seiner Bewohner. Die wichtigsten Dinge des täglichen Lebens werden hier noch immer von Hand angebaut, hergestellt und bearbeitet. Lediglich Luxusgüter wie Fernseher, Handys, DVDs & co. sind auf dem industriellen Vormarsch. Dabei sollte man seine Bestellungen langfristig einrichten. Indra wartet jetzt schon seit über einem halben Jahr auf ein Regal, das eigentlich nur zwei Wochen dauern sollte...

Hier gibts nur Klassiker im Massenstil.
Da die meisten Wohnungen in Bhaktapur zum Arbeiten zu eng und zu dunkel sind wird darüber hinaus fast alles auf der Straße erledigt. So präsentiert sich die Stadt in einem sehr lebendigen Bild und wo man auch lang geht gibt es was zu sehen. Hauptattraktion in dieser Hinsicht ist der Potter's square. Auf diesem kleinen Platz wird rund um die Uhr getöpfert, gebrannt und bemalt und der interessierte Tourist bekommt den gesamten Prozess vom Lehmhaufen zum fertigen Souvenir vorgeführt (eindringliche Verkaufsangebote eingeschlossen).

Erst homogenisieren...

... dann formen und trocknen...
... dann brennen und bemalen.
Schweres Geschütz im Touristenstützpunkt "Potter's Square"
Ein weiterer großer Markt ist die Wollverarbeitung. Häufig sind es ältere Frauen, die zunächst aus der Rohwolle Fäden spinnen. Bei der Recherche ist Vorsicht geboten! Diese Bevölkerungsgruppe ist gewissermaßen spezialisiert darauf durch photogenes Auftreten Kameraeinsätze zu provozieren und anschließend vehement Modelgage einzutreiben.

Rumsitzen als Einnahmequelle: Eine alte Frau beim Spinnen

Auch die weiteren Schritte der Wollverarbeitung lassen sich auf der Straße beobachten. Besonders strickende Frauen sind in Bhaktapur omnipräsent. Meist rotten sie sich in intradisziplinären Communikationsforen (Tratschgruppen) zusammen und scheinen ihren Spaß zu haben. Auch "mobile Nähstuben" und Webstühle sind immer wieder anzutreffen.

Während des Hosekürzens noch schnell Rasieren lassen
Mann beim Fadenaufwickeln
Immer bei guter Laune: Frauen beim Stricken
Frauen beim Teppichweben
Haben Madame letzte Nacht schlecht geschlafen, weil das Kissen nicht locker genug war oder gar eine Decke gefehlt hat? Kein Problem! Gerne kommt jemand vorbei, klopft die Wollfüllung einmal ordentlich durch und näht Matratze, Decke, Kissen anschließend wieder zu.

Fast immmer Vater-Sohn-Duos: Die Matratzenmacher
Dank zunehmender Touristenströme hat ein weiterer Wirtschaftszweig an Bedeutung gewonnen: Die Thankamalerei. Überall sprießen Schulen aus dem Boden, die diese unrsprünglich tibetischen Präzisionswerke herstellen und verkaufen. Kleiner Haken an der Sache: Ein mittelgroßes Bild kann den Künstler locker mal ein paar Monate beschäftigen und so liegen die Preise meist irgendwo zwischen 200 und 10 000 €! Obwohl alle Werke handgefertigt werden handt es sich bei den Darstellungen selbst oft um Kopien alter Werke und selten um eine eigene Kreation. Man unterscheidet zwischen Mantras und Götterdarstellungen, wobei sich mir gerade im hindu-buddhistischen Olymp die Zusammenhänge der verschiedenen Wesen, Symbole und Inkarnationen hartnäckig jeglichen Verständnisses entziehen. Ich finds ja gut, dass in dieser Welt nicht alles mit Logik zu erklären ist, aber ein bisschen strukturierter Aufbau wäre mit Rücksicht auf die ungläubigen Touristen im Land doch wünschenswert gewesen...

Präzisionsarbeit nach Vorlage: Thankamaler in Bhaktapur
Der Meister bei der Arbeit - Sunna in seiner Wohnung in Kathmandu
Das hier (80 x 100 cm) ging für 5 Lac (5000 €) über den Ladentisch... (nix mit Souvenir!)
Weniger kunstfertig, aber dafür mit umso größerem Körpereinsatz geht es auf den zahllosen Baustellen zu. Gebaut wird eigentlich immer und überall, aber selten fertig. Dabei übernehmen die Herren der Schöpfung traditionell den "anspruchvollen" Teil der Arbeit wie Mauern, Gießen, Verputzen und Rauchen, während es den Frauen überlassen bleibt die notwendigen Güter wie Sand, Ziegelsteine, Zement oder Wasser heranzuschaffen. Ist von der Kräfteverteilung her ja auch nur logisch... Beim Transportieren von Handelsgütern müssen dagegen auch die Männer anpacken. Hierzu benutzt der Nepalese immer seinen Kopf, was bei Lasten von bis zu 60 kg (= Körpergewicht vieler Träger!) auf eine beachtliche Nackenmuskulatur schließen lässt.
Auch der Nepalese kennt "Gruppenarbeit"...
Hier ganz normal: Am Bau schleppen nur die Frauen...
... ansonsten auch mal die Männer.

Der Obi von Bhaktapur
Natürlich wird auch für das leibliche Wohl gesorgt, was hier gleichzusetzen ist mit der Bereitstellung von Reisprodukten. Nur etwa 30 Schritte von unserem Haus befindet sich die älteste Reismühle von Bhaktapur. Auch wir beziehen von hier unseren geschälten, geschlagenen und gemahlenen Reis.

links die Mühle, rechts die Presse für "geschlagenen" Reis.
Fritteuse für zu schlagenden Reis

Schließlich gibt es noch die Berufszweige der modernen Welt, die sich bisweilen zu einem kurzen Showdown in der mittelalterlichen Stadt herablassen. Solche Ereignisse kommen gleichermaßen selten vor wie sie auf mich fehl am Platz wirken. Neulich wurde z.B. am Durbar Square mit ein paar hüpfenden Models ein Werbespot gedreht. Für die Leute hier natürlich ein riesen Event, ich fands eher merkwürdig.

Ich weiß, Ihr wollt die Models sehen, hat sich aber leider nicht ergeben!
Das war's für heute von "Made in Nepal" - bis bald!

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