Samstag, 18. Dezember 2010

Bhaktapur - Die Stadt

Wenn man Bhaktapur (Bhadgaon) betritt kann man sofort nachvollziehen, warum diese Stadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Nicht nur prächtige Tempel finden sich an jeder zweiten Straßenecke, sondern nahezu jedes Haus weist kunstvoll geschnitzte Holzrahmen, Türen und Balkone auf (was nicht heißen soll, dass auch alle in guter Verfassung sind!). Fast alle Tempel und viele der Gebäude stammen ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert. Zu der damaligen Zeit lieferten sich die drei rivalisierenden Malla-Könige in Bhaktapur, Kathmandu und Patan einen erbitterten Wettkampf um die prächtigste Stadt des Tals. Dies führte zur einer rasanten Entwicklung der darstellenden Künste in der Region - leider auf Kosten der Bevölkerung, die letztendlich für das verschwenderische Wirtschaften aufkommen musste.


Typisches Nepali Haus in Bhaktapur.

Bei manchen Häusern fragt man sich, warum sie eigentlich noch stehen...

Die Stadt ist aber nicht nur optisch sondern auch städteplantechnisch wahrlich aus dem Mittelalter! Wer sich hier nicht auskennt und ohne Karte unterwegs ist, kann leicht unfreiwillig Stunden in den unzähligen verwinkelten, engen Gassen zubringen, die bereits bei Abenddämmerung jegliches Restlicht schlucken (nein, ich hab mich nicht verlaufen. Wirklich nicht!...). Ein Glück ist die Stadt so klein, dass man nur geradeaus gehen muss um innerhalb kurzer Zeit auf einen der zentralen Plätze zu gelangen oder nach spätestens einer halben Stunde den gegenüberliegenden Stadtrand zu erreichen.

Stadtrand von Bhaktapur


Das ehemalige Zentrum von Bhaktapur ist Tachupal Tole. Inzwischen liegt der Platz etwas am Rand der Stadt, was einen aber nicht von einem Besuch abhalten sollten. Neben zwei beeindruckenden Tempeln, einem Museum und einer Reihe reich verzierter Häuser findet man hier auch ein absolutes Highlight nepalesischer Holzschnitzkunst und mein persönliches Lieblingsstück: Das peacock-window.

Peacock window

Aufbau des Bhimsen-Tempels

Tachupal Tole mit Dattatreya-Tempel


Der weitaus größte Platz ist der Durbar Square. Hier liegt der ehemalige Königspalast und eine Reihe imposanter Tempelanlagen, die zu einem bedeutenden Anteil mit deutschen Entwicklungshilfegeldern restauriert wurden. Überhaupt genießt Deutschland hier einen sehr guten Ruf. Das liegt einerseits an der tatkräftigen deutschen Unterstützung bei der Entwicklung eines Zu- und Abwassersystems für Bhaktapur, verbesserter Straßen und diverser Restaurationsarbeiten, andererseits an der Fußballbegeisterung der Nepalesen, die uns in den letzten Jahren mehr Glück gewünscht hätten. Ansonsten ist der Durbar Square vor allem dann eine gute Adresse, wenn man ein wenig Ruhe sucht (dies ist der einzige Ort in Bhaktapur, an dem keine Motorräder erlaubt sind!) oder aber ein paar lokale Führer sucht, die alle Geschichte studiert und zufälligerweise auch noch Verwandte in Deutschland haben...

Durbar Square, rechts der Eingang zum ehemaligen Königspalast.


Der "55 window palace"

Löwe vor dem Siddhi-Lakshmi-Tempel


Am liebsten aber bin ich am Taumadhi Tole, der nur wenige Schritte von Indras Haus entfernt ist. Hier steppt Tag und Nacht der Bär, pulsiert das Leben in einem permanenten Strom von Bauern, Händlern, Musikern, Geistlichen, Feiernden, Touristen, Tieren und allem möglichen anderen. Gerade wenn abends der Strom ausfällt kommen viele hierher um die Gelegenheit zum Einkaufen zu nutzen oder eine Kleinigkeit zu essen. An solch einem Ort kommt dem überforderten Ordnungsliebhaber die Tatsache zugute, dass sich hier der höchste Tempel Nepals befindet: Der Nyatapola- oder auch five-roof Tempel. Von seiner obersten Treppenstufe aus kann man das chaotische Gewusel aus sicherer Entfernung beobachten, was auch von Einheimischen gerne genutzt wird. Von Taumadhi Tole aus startet am nepalesischen Neujahrsfest (Bisket Jatra, Mitte April) ein riesiger Tempelwagen, der von den Massen mit Hilfe riesiger Holzräder und Spurrillen im Boden einmal durch die ganze Stadt gezogen wird. Auf dem Höhepunkt des Umzugs versuchen die zwei Stadtparteien (Ost/West) dann in einem Wettstreit den Wagen auf ihre Seite zu ziehen (nein, da gibt es keine Absperrgitter, Anti-Konflikt-Teams oder Eventmanager - da ist HalliGalli angesagt!!!).

Nyatapola-Tempel am Abend

Bhairabnath-Tempel, an der Seite die Räder für den Umzug




Im Fokus des spirituellen Lebens steht vor allem der dem Nyatapola-Tempel gegenüberliegende Bhairabnath-Tempel. Dort wird nicht nur gebetet und Musik gemacht, sondern auch alle Nase lang irgendwelche Tiere geopfert. Die "oberflächliche" Reinheit von Heiligtümern spielt hier praktisch keine Rolle, woran man sich als Europäer erstmal gewöhnen muss. Egal ob Lebensmittel, Farbe oder die Köpfe geopferter Tiere - alles was Glück bringt und Böses abwendet wird auf Gottesabbilder geschmiert oder um sie herum verteilt. Die hygienischen Konsequenzen kann man sich leicht ausmalen...

Hm, also links ist Vishnu und rechts könnte mal Krishna gewesen sein...


Am Rande der Stadt stößt man auf die Abbilder der Stadt. Dazu gehören z.B. riesige Bassins, die vor langer Zeit als Wasserspeicher angelegt worden waren und noch heute benutzt werden. Der lonely planet schreibt zu ihnen:
"In the mornings and afternoons, locals gather by the ponds to bathe, socialise, take romantic walks and feed the giant carp and turtles that keep the water free from detritus." Ich will das mal so stehen lassen ...

Lust auf einen romantischen Spaziergang?
Naja, gut dass man heutzutage alles wegzoomen kann...

Je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernt, desto größer werden die Müllkippen. Nepal hat ein riesiges Müllproblem, da aus Kostengründen keine öffentliche Entsorgung, geschweige denn Recycling stattfindet. Das heißt, dass jede einzelne Plastiktüte früher oder später irgendwo auf dem Boden landet. Also nix mit verpacktem Brot oder Snickers, obwohl beides mich schon reizt...(hmpf)

Müll ist ein riesiges Problem in Nepal


Schließlich erreicht man die "nepalesischen Highways", die Bhaktapur mit Kathmandu, Thimi und Banepa verbinden: Staubige Asphalt oder Sandpisten, deren Nicht-fein-Staubbelastung pro Minute ungefähr 5 Zigaretten entsprechen dürfte. Hier kann man eigentlich nur noch mit Staubmaske rumlaufen und wer es sich leisten kann bezahlt jemanden dafür alle 30 min sein Aushängeschild an der Straße freizulegen.

Ost-West-Highway Kathmandu-China

Hier lohnt sich kein Feinstaubfilter mehr!

Da geh ich doch lieber in mein mittelalterliches Stadtzentrum zurück!

Straßenszene in Bhaktapur

Sonntag, 5. Dezember 2010

Aufbruch

Nachdem ich mich ausgeruht hatte, gabs zum Frühstück das nepalesische Nationalgericht: Dhaal Bhaat (Reis mit Linsensuppe). Ergänzt wird es mit Spinat, jungem Knoblauch, Sojabohnen, Bratkartoffeln oder anderem saisonalen Gemüse sowie einem Klecks pickle (Gewürzmischung). Für deutsche Gäste ist meist auch noch ein kleines Stückchen Hühnchen dabei (wenn ich "Stückchen Hühnchen" schreibe dann ist das wörtlich zu nehmen! Hier geht es nicht um Keule oder Brust, sondern um einen willkürlich herausgehauenen Würfel mit allem was man in so einem Viech halt findet. Dabei stellt Muskelfleisch meistens den geringsten Anteil dar. Hatte schon interessante anatomische Begegnungen mit meinem Essen...). Ich muss sagen mir schmeckt es in allen Kombinationen sehr gut (bei wem das nicht so ist, sollte sich allerdings auf ein paar schwierigkeiten bei der Essensbeschaffung einstellen). Dabei kommt mir die Tatsache zugute, dass Nepalesen einen ähnlichen Schärfegrad bevorzugen wie wir Europäer und sich nicht an ihre indischen Nachbarn halten. Dhaal Bhaat gibt es überall in Nepal und jeden Tag zweimal täglich, einmal morgens um 10 und einmal abends um 7-8. Das klingt vielleicht eintönig, ist aber an sich nach kurzer Gewöhnungszeit nicht nur ganz praktisch sondern auch immer wieder lecker. Gegessen wird mit der rechten Hand, die als Schaufel benutzt wird. Das geht leichter als ich gedacht hätte und gehört für mich inzwischen einfach zu nepalesischem Essen dazu. Die Unterdrückung von Essgeräuschen ist, wie mir scheint, eher nicht vorgesehen...

Das nepalesische Nationalgericht: Dhaal Bhaat

Lediglich eine Komponente des Essens lehnte ich in reiner Form nach kurzem Probieren von vornherein ab: Ghee! Das ist die asiatische Form der Butter, die zum Anbraten (kaum zu verpassen, da ähnliche Wirkung wie gasförmiges Chili!) benutzt, aber auch pur (yummy...) zum Essen gereicht wird und in meinen Augen seeeehr gewöhnungsbedürftig ist. Da ich auch sonst keine Butter esse wurde diese Einschränkung aber sofort akzeptiert. Das Gemüse und alle übrigen Ergänzungen zu Dhaal Bhaat werden übrigens mit einem total urigen Messer zum Draufhocken geschnitten! Handmesser, wie sie bei uns üblich sind, gibt es hier erst seit kurzer Zeit.
Indra beim Knoblauchschneiden

Mittags gegen 2 greift man auf ein einfacher zuzubereitendes Essen zurück, nämlich Chiuraa (geschlagener Reis). Dazu wird das ungekochte Reiskorn so lange in einer runden Metallschüssel "geschlagen" bis es aus ganz dünnen Plättchen besteht, die man sich nun unter hohem Feuchtigkeitsverlust zuführen kann. Um einer kompletten Verstopfung vorzubeugen gibt es meistens noch etwas Kartoffeln vom Morgen, ein Ei oder auch frischen Yoghurt. Gerade Bhaktapur ist für seinen guten Yoghurt bekannt (eine Tatsache, die mir ebenfalls sehr entgegen kommt). Dieser besitzt hier auch eine Bedeutung bei bestimmten religiösen Riten. So  muss beispielsweise die Anzahl der Löffel, die man aufgetan bekommt, immer gerade sein - fand ich absolut logisch! Eine Tradition, die meiner Meinung nach bei uns total unterschätzt wird, aber das sehen wohl nur Monk-Fans wie ich so...

Nepalesisches Mittagessen: Chiuraa (beaten rice)

Zu Trinken gibt es immer gefiltertes Leitungswasser, das auch ich gut vertrage. Abkochen ist relativ aufwändig, zumal jegliche Abhängigkeit von Strom sehr unpraktisch ist. Trinkwasser ist deshalb vor allem in der Regenzeit ein Problem, wenn der Strom noch häufiger gekappt wird als jetzt im Winter. Abgeschaltet wird immer zu den Hauptverbrauchszeiten, also morgens und abends. Zur Zeit haben wir tagsüber ca. 6h, nachts etwa 10h Strom, Tendenz sinkend. Wenn es keinen Strom gibt und es nicht zu kalt ist strömen die Menschen auf die Straße, denn dann gibt es zu Hause nichts zu tun. Man nutzt die Zeit um einkaufen zu gehen, sich die Beine zu vertreten oder Freunde zu treffen. Alles was jetzt Strom verbraucht ist deutlich teuerer und nur große Geschäfte leisten sich große Stromaggregate für eine kontinuierlilche Versorgung.

Unsere Trinkwasserreinigung
Nun wollte ich aber endlich raus die Stadt erkunden! Nach kurzer Zusammenstellung einer - sich in Zukunft sehr bewährenden - Expeditionsausrüstung, bestehend aus Wasserflasche (meine tägliche Lebensversicherung), Lonely Planet (von der besten Schwester von allen!), Toilettenpapier (ihr wisst gar nicht wie gut unser Toilettenpapier ist!), Desinfektionstüchern (man weiß nie...), Kamera (was würde ich ohne die nur machen???), etwas Geld (möglichst wenig und keine EC-Karte etc.), Handy (mit SIM-Karte von Indra), Mundschutz (1 min entlang einer nepalesischen Straße = 3 Zigaretten), Taschenlampe (nachts ist es nicht nur dunkel sondern STOCKDUSTER!), meinem point-it (kaum einer über 30 spricht hier Englisch!) und Passkopie (bislang ungenutzt, verbraucht aber keinen Platz), verließ ich das Haus und stürzte mich in das Gewusel der kleinen Gassen und Plätze...

Auf den Straßen von Bhaktapur

Samstag, 4. Dezember 2010

Anreise

Die Fluggesellschaft meiner Wahl, Gulf Air, lag mit ihrem Preisangebot Frankfurt-Kathmandu gut 400 Euro unter dem Durchschnitt. Zusammen mit den Kommentaren, die ich im Internet fand, ließ das nichts gutes hoffen. Da ich mich aber ohnehin auf Einschnitte in den kommenden Monaten eingestellt hatte, buchte ich den Flug und bestieg am 24.11.2010 eine Maschine der Gulf Air nach Bahrain, meiner ersten und einzigen Zwischenetappe.

Mein Taxi nach Nepal!
 Glücklicherweise erwiesen sich alle Befürchtungen als unbegründet. Das Personal auf dem Flug nach Bahrain war in Sachen Kundenfreundlichkeit zwar nicht gerade preisverdächtig, aber an Pünktlichkeit und Sauberkeit der Maschine war nichts zu auszusetzen. Auch das Frühstück entsprach den allgemeinen Flugstandards und wies das wichtige Öl/Fleischverhältnis von 2:1 auf. Mein Sitznachbar, ein deutscher Thailandurlauber, der sich während des gesamten Fluges hauptsächlich von Wein ernährte, bewies mir, dass ich noch verhältnismäßig organisiert ins Unbekannte flog. Er hatte nämlich weder ein Hotel vor Ort gebucht, noch Adressen oder Kontakte dabei, schien darüber aber auch ganz glücklich. Das beruhigte mich ein wenig und so konnte ich mich entspannt in meine Reiseführer vertiefen, für die ich in der Vorbereitungszeit kaum Zeit und Ruhe gefunden hatte.

Kueste Bulgariens am schwarzen Meer
 Der Flughafen in Bahrain ist wie ein großer Eintopf. Hier ergeben sich Tag und Nacht alle möglichen und unmöglichen Mischungen verschiedener Nationalitäten und Kulturen. Die Anwesenheit vollständig vermummter arabischer Frauen, schick gekleideter europäischer Manager und asiatischer Arbeiter gehört ebenso dazu wie z.B. die dicker Autos, arabischer Fastfoodläden oder auch eines Weihnachtsbaumes.




Da ich 6 h Aufenthalt hatte, nutzte ich die Zeit für einen Abstecher ins kostenlose WLAN des Flughafens und aß eine Kleinigkeit. Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass es vielleicht ganz angebracht wäre ein Gastgeschenk mitzubringen, da ich zumindest während der ersten Tage bei Indra wohnen sollte. Ich erstand also eine Kleinigkeit im Duty-free Shop (natürlich zum absoluten Schnäppchenpreis!) und bestieg um 2.00 morgens meinen Anschlussflug nach Kathmadu. Diese Maschine war deutlich kleiner und gab vor dem Start etwas merkwürdige Geräusche von sich, hatte dafür aber sehr freundliches Personal und besseres Essen. Ich versuchte etwas zu schlafen, was mir aber nicht so recht glückte. Das war im Nachhinein auch ganz gut so, denn dadurch verpasste ich nicht meinen ersten grandiosen Blick auf die Spitzen des Himalaya, die in einer langen Kette durch die Wolkendecke stießen.

Der Himalaya aus dem Flugzeug

Schließlich landete die Maschine in Kathmandu und ein Bus brachte uns zu dem einzigen Terminal des aus roten Ziegelsteinen und Holzbalken erbauten Flughafengebäudes. In erstaunlich kurzer Zeit hielt ich in der linken Hand ein 90-Tage-Visum, in der rechten Hand meinen Koffer und stand vor dem Flughafengebäude auf der Straße. Sofort wurde ich von Taxifahrern bestürmt, die nur mühsam von den umstehenden Polizisten zurückgehalten werden konnten und ließ mich, da ich Indra nirgends entdecken konnte und kein Handynetz hatte, in einen Taxifahrer-freien Warteraum für hilflose Touristen lotsen. Ein besonders hartnäckiger Geselle wich mir jedoch nicht von der Seite und bot mir an alles notwendige für mich zu organisieren. Ich sagte ihm, dass ich abgeholt werden würde und dachte ich würde ihn damit loswerden. Er ließ aber nicht locker und wollte für mich bei Indra anrufen. Ich sagte ich hätte ihm schon eine Nachricht geschickt. Er nickte, als verstünde er und fügte erst nach einer Pause genüsslich hinzu: "Doof, dass das Netz hier nicht geht..."


Kathmandu Airport
 Bevor ich richtig unruhig werden konnte tauchte Indra auf und begrüßte mich herzlich. Auch mein persönlicher Headhunter freute sich, denn er durfte uns nach kurzer Absprache mit Indra zu einem Taxifahrer seines Vertrauens führen. Die ca. 16 km weite Fahrt nach Bhaktapur entsprach in etwa dem, was ich mir vom Verkehr hier ausgemalt hatte: Die Straße mehr Sandbuckelpiste als Asphalt und der Verkehr ein einziger Hexenkessel. Am Stadttor von Bhaktapur musste ich ein Ticket kaufen, da die Stadt als UNESCO-Weltkulturerbe eine einzige riesige Ausstellung historischer Gebäude und Tempel ist. Von nun an waren die Straßen so eng, dass links und rechts vom Auto teilweise nur wenige Zemtimeter Platz blieben. Das ist für einen Nepalese aber natürlich noch lange kein Grund den Fuß vom Gas zu nehmen und so war ich doch einigermaßen überrascht, dass die Fahrt ohne jegliche Kollisionen verlief. Schließlich hielten wir auf einem kleinen Platz mitten in der verwinkelten Innenstadt von Bhaktapur - wir waren da!

Indras Haus, links unten die Haustuer

Indras Haus ist relativ groß und nach traditioneller nepalesischer Bauart errichtet. Das heißt z.B., dass alle Decken in ca, 1.80 m Höhe hängen, was für größere Menschen wie mich erstmal gewöhnungsbedürftig ist. Außerdem ist der Großteil der Inneneinrichtung Marke Eigenbau und hauptsächlich auf Funktion ausgelegt. Entsprechend viele Stecker und Kabel liegen überall frei herum und man muss sich schon ein wenig auskennen um die jeweils benötigte Schaltung durchführen zu können. Im Erdgeschoss befinden sich lediglich ein Wassertank und ein Stromgenerator, auch der erste und vierte Stock sind zur Zeit leerstehend. Im zweiten Stock befindet sich eine kleine Schlafkammer fuer ihn, seine Frau Sunchita und ihre gerade erst zwei Wochen alte Tochter, sowie ein Wohnzimmer mit Bad. Im Stockwerk darüber ist ein Klo, die Küche und mein Zimmer untergebracht. Es misst etwa 2 x 3 m, hat zwei kleine Fenster und geht nach vorne raus.

Mein Zimmer vom Bett aus

Mein Bett
 Nachdem mich Indra ein wenig rumgeführt hatte, machten wir auf dem Dach eine kleine Pause. Ich war etwas geschafft vom Flug und legte mich für eine Weile in die warme Sonne. Man möchte es als Europäer nicht so richtig glauben, aber selbst im Dezember ist es hier tagsüber so warm, dass man im T-Shirt noch ins Schwitzen kommen kann und auch nachts wird es nicht so kalt wie in Deutschland! Das Dach ist für viele Nepali ein wichtiger Rückzugsort, da die meisten Wohnung extrem eng und dunkel sind. Hier verrichtet man seine Arbeit, trocknet Reis, Gewürze und Gemüse, trocknet seine Wäsche und der eine oder andere hält hier seine Tiere. Auch der deutsche Tourist gesellt sich gerne an diesen Ort, denn man hat einen tollen Blick über die Stadt und einen Teil des Kathmandutals, der bei guter Sicht bis zu den Bergen des Himalaya reicht. Trotz der ungewohnten Umstände fühlte ich mich nun pudelwohl und brannte darauf die Stadt zu erkunden.


Von unserem Dach aus: Hinterhoefe...
 
...der Platz vor unserem Haus...

...ich ueber Bhaktapur...

... und der Himalaya!

Sonntag, 28. November 2010

Vorgeschichte

Herzlich Willkommen zu meinem Nepalblog! Hier möchte ich in Zukunft meine Erlebnisse und Eindrücke mit allen denen teilen, die entweder schon immer mal wissen wollten, wie sich das Leben in einem Entwicklungsland eigentlich so abspielt oder die sich einfach nur fragen, wo ich eigentlich abgeblieben bin und was ich zur Zeit so treibe. Nepal ist ja für einen Chemiker wie mich nicht gerade das Land, an das man zuerst denkt um eine steile Karriere beginnt und so möchte ich hier doch wenigstens kurz voranstellen, wie es überhaupt dazu kam, dass ich nun in einem kleinen vollgeräucherten Zimmer ohne Strom, Licht und Heizung in Bhaktapur/Nepal sitze und trotz der ungewohnten Umstände ganz glücklich bin...

Als angehender Doktor der Chemie musste ich mich der Frage stellen, wie ich eine ausreichend bezahlte, interessante und erfüllende Aufgabe für meine weitere Zukunft finden konnte. Ich habe noch den weisen Rat meines Doktorvaters im Ohr, wie man ganz leicht alle Schwierigkeiten im Leben vermeiden kann: Erstens, man muss alles richtig machen und zweitens rechtzeitig. Nun zumindest den zweiten Aspekt wollte ich mir zu Herzen nehmen und machte mich bereits 1 Jahr vor Ende meiner Doktorarbeit auf die Suche nach einer sinnvollen Tätigkeit. Diese Idee begrüßten auch meine Eltern sehr ("Junge, sieh zu, sieh zu....), das Problem war nur was war denn sinnvoll? Nach kurzem Überlegen stand fest, die Industrie würde nicht mein Lieblingsarbeitgeber sein (was nicht heißen soll, dass die nicht sinnvoll ist). Dort fehlte mir ein gewisser sozialer Faktor, aber wo sollte man den finden? Da kam mir die beste Freundin von allen zu Hilfe, die nämlich wusste, dass Chemie und Entwicklungshilfe keine Gegensätze sein müssen! Ganz Feuer und Flamme von dieser Idee machte ich mich auf die Suche nach Stellen für Chemiker in Entwicklungsländern. Einige Wochen intensiver Internetrecherche später folgte jedoch die ernüchterte Feststellung: Hilfsorganisationen haben scheinbar kaum Verwendung für Naturwissenschaftler in den Einsatzgebieten, denn es gilt im allgemeinen das Motto: Praktiker gerne! Theoretiker... können sie nicht noch was anderes?

Da mir bei meinen Bewerbungen teilweise eine mangelnde Auslandserfahrung angekreidet wurde, reifte in mir der Gedanke zunächst einen Postdoc zu machen, dadurch etwas Arbeitserfahrung im Ausland zu erwerben und mir vielleicht auch noch eine zweite Fremdsprache anzueignen, was in internationalen Organisationen ebenfalls sehr gefragt ist. Ein Arbeitgeber mit interessantem Forschungsfeld (Weinchemie!) in einer noch interessanteren Region (Bordeaux!!!) war schnell gefunden, doch leider fehlte das Geld! Also wurde mit Hilfe eines aus dem Boden gestampften Kurzbprojektes ein DAAD-Stipendium beantragt. Leider blieb das ohne erfolg, so dass ich gezwungen war mir etwas anderes zu überlegen.

Ich begann mich auf eine Reihe von Stellen bei internationalen Organisationen zu berwerben und scheiterte teilweise nur knapp. Da die Ausschreibungen im Regelfall nur einmal im Jahr gemacht werden und ich nicht bis zum Anfang des nächsten Jahre warten wollte fiel also auch diese Option weg.

Zu diesem Zeitpunkt erschien mir die größte Schnittmenge zwischen Chemie und Entwicklungshilfe im Bereich Bildung zu liegen. Eine entsprechende Recherche im Internet ergab zwar eine Fülle politischer Forderungen nach mehr und besserem naturwissenschaftlichen Unterricht in Entwicklungsländern, konkrete Projekte oder Organisationen, die sich mit genau diesem Problem bescäftigten konnte ich aber nicht finden. Um mich für eine solche Aufgabe aber weiter zu qualifizieren, dabei etwas Geld zu verdienen und herauszufinden ob unterrichten denn das richtige für mich wäre, beschloss ich mich als Quereinsteiger in den Fächern Chemie/Biologie an Gymnasien im Bereich Köln/Bonn zu bewerben. Trotz einiger ganz gut laufender Vorstellungsgespräche konnte ich mich letztlich jedoch nicht gegen ausgebildete Lehrämtler durchsetzen und beschloss mein Glück im Unterrichten direkt im AUsland zu versuchen.

Auch dieser Plan wäre vermutlich an den hohen Studiengebühren von Masterstudiengängen oder schwierigen Arbeitsbedingungen in Teach-First-Programmen gescheitert, hätte ich an dieser Stelle nicht zufällig Petra kennengelernt. Wir trafen uns bei einem Bewerbungstraining des Arbeitsamtes in Frankfurt und sie riet mir es unbezahlt, aber dafür direkt im Ausland zu versuchen. Mehr noch, sie gab mir die Emailadresse von Indra, einem Freund aus Nepal, der vor einigen Jahren begonnen hatte die Schulausbildung benachteiligter Kinder durch den Bau einer eigenen Schule sowie eine Reihe anderer Projekte zu fördern. Zunächst war ich etwas skeptisch, denn das schien mir für meine Verhältnisse doch zu spontan, zu wenig abgesichert und auch finanziell nicht sonderlich attraktiv. Außerdem hatte ich bisher hauptsächlich Afrika als Zielkontinent im Auge gehabt. Je mehr ich aber darüber nachdachte, desto besser gefiel mir der Gedanke mal anders als bisher vorzugehen und die praktische Erfahrung als besten Wegweiser für die Zukunftsplanung zu nutzen. Schließlich schrieb ich voller Begeisterung nicht nur eine Email an Indra, sondern bewarb mich zeitgleich auch bei einem science college im Osten Nepals, dessen Vermittlung freundlicherweise Haimanti, eine Freundin aus Nepal, angeboten hatte. Innerhalb von drei Tagen hatte ich zwei Zusagen und war total aus dem Häuschen! Endlich gab es eine Möglichkeit meinem Traum nachzugehen sowie ein konkretes Ziel, auf das man hinarbeiten konnte.

Was folgte waren Monate des ungeduldigen Wartens, denn nun begann ich erst richtig mit dem Verfassen meiner Arbeit. Das Jahr, das ich mir zur rechtzeitigen Vorbereitung meiner Jobplanung genommen hatte, war längst abgelaufen und so konzentrierte ich mich voll aufs Zusammenschreiben um möglichst bald nach Nepal aufbrechen zu können (natürlich ohne dabei in Stress zu geraten, wer mich kennt weiß das! :) Am 19.11. setzte ich dem Warten durch die Verteidigung meiner Arbeit ein Ende und bestieg fünf Tage später ein Flugzeug der Gulf Air, was mich über Bahrain nach Kathmandu brachte!