Sonntag, 27. Februar 2011

Weihnachten - Teil 2


Am 24.12. traf ich meine Eltern zum zweiten mal, diesmal in Pokhara. Das liegt etwa 200 km westlich von Kathmandu und lässt sich entweder in 7 h Busfahrt über holprige Serpentinen oder 15 min Flug erreichen. Das sprach klar für den Flug, schließlich wollte ich nicht halb weihnachten auf der Straße verbringen. Die Busfahrt versprach jedoch eine erlebnisreichere Reise durch grüne Hügellandschaften, tiefe Schluchten und malerisch gelegene kleine Dörfer, während ein Flug kaum mehr als eine Wolkendecke erwarten ließ. Beim Thema Sicherheit gab es ein Unentschieden, hier lag die Wahl eindeutig bei Not oder Übel. Beide Transportmittel überbieten sich täglich gegenseitig mit Unglücksmeldungen und man würde die Strecke am liebsten zu Fuß zurücklegen. 

Bei Pokhara.
Als ich mich schließlich nach ausführlicher und reiflicher Abwägung aller Komfort-, Zeit- und Kosten-Faktoren für den Bus entschlossen hatte und meinen Eltern stolz meinen wohlüberlegten Beschluss vorlegen wollte, teilten sie mir mit, dass sie den Flug inklusive Shuttleservice für mich längst gebucht hatten...

Bei Pokhara.

Am Vortag der Abreise dann plötzlich Panik: Ausgerechnet am nächsten Morgen sollte eine Protestkundgebung die Hauptstraße nach Kathmandu blockieren. Gerüchten über gewisse Ausnahmen für Touristenbusse traute ich nicht und so versuchte ich telephonisch meinen Fahrer zu erreichen um unsere Abfahrtszeit etwas vorzuziehen. Der war jedoch nicht zu erreichen und so blieb mir nichts anderes übrig als meine Sachen fertig zu packen und das Beste zu hoffen. 

Bei Pokhara.
Mitten in der Nacht dann lautes Hämmern an unserer Tür. Mein Fahrer hatte irgendwie meine Adresse ausfindig gemacht (oder er hatte zuvor alle anderen Häuser in der Gegend ausprobiert...) und eröffnete mir aufgeregt wir müssten unbedingt schon früher los, da sei eine Protestkundgebung auf der Straße nach Kathmandu und auch für Touristen sei... Ich winkte ab und wir fuhren los. Es war 5 Uhr morgens und gut 4h vor Abflug...

Bei Pokhara.
Nach ca. 25 min erreichten wir den Flughafen. Ich versuchte unser schnelles Durchkommen von der positiven Seite zu sehen und mich mit ein paar weihnachtlichen Gedanken aufzuheitern. Dann betrat ich durch eine Art "Sicherheitskontrolle" das Flughafengebäude, aber dieser Begriff trifft es nicht ganz. Ich passierte zwar einen Metalldetektor, doch ließen mich dabei ein paar Beobachtungen stutzig werden. Zunächst saß vor dem Bildschirm gar kein Mitarbeiter. Wozu auch? Schließlich lief das Band ja auch von alleine... Während ich noch darüber grübelte ob ich nun warten müsste oder nicht, lief der Nepalese hinter mir einfach außen am Metalldetektor vorbei. Logisch, er hatte es ja auch eilig! Er wurde zwar von einem Mitarbeiter aufgehalten und zurückgeschickt, aber so langsam hatte ich doch das Gefühl, dass gewisse Sicherheitsstandarts in Nepal eher als überflüssig betrachtet werden. Dieses Gefühl wurde zur Gewissheit, als ich die Halle betreten und die Flughafengebühr bezahlt hatte. 10 m hinter dem "Sicherheitseingang" befand sich nämlich ein türloser Durchgang, der - bei gutem Kontakt zum dort sitzenden Wachmann - völlig ohne Kontrolle benutzt werden konnte...

Bei Pokhara.
Schließlich gelangte ich in die Wartehalle und stellte mich auf das ein, was man hier nun mal macht: Warten. Recht lange warten, aber na gut. "Was sind schon 3h im Vergleich zur Ewigkeit?" dachte ich mir und vertiefte mich in eine Mammut-Ausgabe der FAZ, die mir meine Eltern in weiser Voraussicht überlassen hatten. Es war eine herrliche Ruhe in dem Raum! Zwar ein paar unverständliche Durchsagen, aber wenigstens nicht so hektisches Kommen und Gehen wie sonst bei uns üblich. Als ich die interessanten Artikel alle eingehend studiert hatte begann es langsam zu dämmern - sowohl draußen als auch in mir, denn selbst in meinem verschlafenen Zustand konnte ich nun sehen, dass man draußen - nichts sah! Es kam wie es kommen musste. Zunächst nahm ich mir die uninteressanten Artikel vor, dann arbeitete ich mich noch durch den Wirtschaftsteil und schließlich sortierte ich die Kontaktanzeigen nach alphabetischer Reihenfolge... Als ich bei 'K' angekommen war hatte sich der Nebel verzogen und meine Buddha-Air-Maschine konnte endlich starten.

Dicke Suppe morgens am Flughafen in Kathmandu.

Mit Ihrer Heiligkeit neben mir war ich wenigstens sicher!

Sitzplatzglück: 20 min Flug, 15 min freie Sicht auf den Himalaya!
Nach nur 20 min landete die Maschine bereits wieder in Pokhara, wo mich trotz der zweistündigen Verspätung mein Taxi und ein grandioser Ausblick auf Machapuchre und den Annapurna-Höhenzug erwartete. 

Annapurna South und Machapuchre von Pokhara Airport aus.

Weitere 20 min später stieg ich in ein kleines Boot um und wurde (leider zusammen mit einer etwas nervigen Familie aus Ameeerika) über den wunderschönen "Begnas Lake" zum Resort gerudert, wo ich schließlich nach insgesamt siebenstündiger Reise ankam - ein Glück hatte ich das Flugzeug genommen... 

Made in Nepal...
Der Begnas Lake bei Pokhara.
Das "Begnas Lake Resort" - natürlich Südhang!

Die Anstrengung war aber mit einem Schlag vergessen, denn nun gings mit der Stimmung steil nach oben: Das Zusammenkommen mit meinen Eltern, ein Luxus"frühstück" nach 7h Hungern und Weihnachten in einem Traumresort - was will man mehr? 

Solide und warm: Unser Urlaubsdomizil.

Der See vom Resort aus.
Wir genossen alles in vollen Zügen, beginnend mit einem kleinen Spaziergang im Abendlicht und mit fantastischem Blick auf den See. Es folgten eine kleine Geschenkeorgie mit großem Baumkuchen (hatten meine Eltern extra mitgeschleppt! Eine fabelhafte Idee wie ich fand... =) und ein sehr leckeres nepalesisches "Weihnachtsdinner" - man durfte sich auf die kommenden Tage freuen!

Bei Pokhara.
Nepalesisches Billard: Mit Mehl und Plastikchips.
Tempel nahe des Resorts.

Eindeutig eine Spitzmaulgottheit!

Gebetsglocke vor dem Tempel.

Das kann nur ein Übersetzungsfehler gewesen sein...

... und abends nach dem Essen liegt schon eine Wärmflasche im Bett! Dekadenz kann so schön sein...
Am ersten Morgen verließen wir (nach sehr(!) gutem Frühstück) in aller Frühe das Resort mit dem(natürlich deutschsprachigen!) Guide Nabin, der uns auf einer mehrstündigen Wanderung (mit einem "kleinen" Lunchpaket...) kreuz und quer durch die Hügel zu einem Aussichtspunkt führte. Das Wetter war toll, die Anstrengung gerade richtig und Nabin fügte dem Wohlfühlpaket noch eine Prise Kultur bei, indem er uns das eine oder andere über das Leben in Nepal erzählte. 

Über abgeerntete Reisfelder.

Heu auf dem Weg zum Trocknen.

Die drei waren gar nicht mehr zu beruhigen und wollten immer mehr Photos...

Auf dem Weg zum Aussichtspunkt.

"Adleralarm...!" Um den Gipfel herum wimmelte es nur so von großen Greifvögeln.
Nachdem wir am Aussichtspunkt eine kurze Picknickpause eingelegt und einem interdörflichen "Fest zur Vertiefung der religiösen Zusammenarbeit" spontan als Ehrengäste beigewohnt hatten (ja, es war ein bisschen merkwürdig...), machten wir abschließend in einem ökologischen Kaffeebetrieb halt, wo wir - ungelogen - den besten Kaffee der Welt zu trinken bekamen!!! (ok, wir hatten nach stundenlanger Wanderung zum ersten mal wieder die Füße hoch gelegt und eine traumhafte Aussicht auf den See bei Sonnenuntergangsstimmung, aber trotzdem!). 

Gezeichnet vom Dorffestival: Meine Eltern und ich.

Kaffebohnen direkt nach der Ernte beim Trocknen in der Sonne.


Hier wird noch traditionell gemahlen, manch einer erinnert sich...

Tja, und das ist er: Der beste Kaffee der Welt!!!
Erschöpft aber glücklich erreichten wir am Abend das Resort, leerten den Warmwasserduschtank bis auf den letzten Tropfen, räumten das Buffet ab und fielen tot ins Bett.

Bei Pokhara.
Auch am zweiten Tag starteten wir früh, diesmal jedoch zu einer etwas kürzeren Wanderung zur "World Peace Pagoda". Das ist eine vor dem Hintergrund des Buddhismus von 4 Ländern (Nepal, Japan, Malaysia und Thailand) errichtete Stupa, von der man einen schönen Ausblick auf Pokhara und die umliegenden Hügel hat. 

Dschungel auf dem Weg zur World Peace Pagoda.

Blick auf Pokhara und den Himalaya.

Die World Peace Pagoda bei Pokhara.
Anschließend besichtigten wir die eher mäßig interessanten Highlights des historischen Teils von Pokhara (in der Hinsicht kommt aber gegen Bhaktapur einfach nichts an) sowie des neueren Stadtteils (Tourismus pur). Immerhin das Gorkha-Bier und der Apfelkuchen nach der Mittagspause sind mir in guter Erinnerung geblieben... Zum Abschluss des Tages machten wir noch einmal schnell bei unseren neuen Kaffeefreunden halt, tranken ein Tässchen und kauften noch ein paar Kilo Rohmaterial für zu Hause ein. Dann wurde es auf einmal sehr schnell sehr dunkel und wir mussten uns sehr beeilen nach Hause zu kommen...

Auch die Sicht vom Pausenplatz war schön...!
Damit war dieser Kurzurlaub bereits wieder an seinem Ende angelangt und wir machten uns früh am nächsten Morgen auf zum Flughafen. Auch diesmal mussten wir ein wenig warten, denn in Kathmandu herrschte mal wieder Nebel, aber schließlich schafften wir es doch. 

Blick aus dem Flieger auf dem Weg zurück nach Kathmandu.
Dort angekommen trennten sich unsere Wege erneut, denn meine Eltern besuchten mehrere kleine Städte in der Umgebung von Bhaktapur. Indra war bei Sunchita in Kathmandu, also hatte ich den Abend für mich alleine. Ich nutzte die Gelegenheit und genoss zum ersten mal nach anderthalb Monaten Nudeln mit Tomatensoße - delicious! =)

Kein Strom, aber unglaublich leckere Nudeln mit Tomatensoße!
Einige Tage später sahen wir uns zum Abschluss nochmal in Bhaktapur. Meine Eltern besuchten die Schule von TOIT, lernten Indra und Bisehs Familie kennen und investierten ein wenig in den nepalesischen Bekleidungssektor. Dann hieß es wieder für einige Monate Abschied nehmen. Es war eine tolle Zeit gewesen, sowohl für meine Eltern als auch für mich. Das nächste Treffen wird wohl in Berlin stattfinden, denn das ist - trotz der fernöstlichen Reize Bhaktapurs - immer noch die schönste Stadt der Welt!!!

Die schönste Stadt der Welt: Berlin!

Dienstag, 15. Februar 2011

Kathmandu, Klappe die Fünfte,,,

Vor ein paar Tagen waren wir wieder einmal kurfristig in Kathmandu. "Wieder einmal" bezieht sich ebenso auf "Kathmandu" wie auf "kurzfristig". Man muss wissen, dass hier in Nepal alle Elemente eines Entscheidungsprozesses grundsätzlich kurzfristiger Natur sind: Planung, Planungsänderungen und auch Planungsänderungsmitteilungen. Man sollte das Haus deshalb nie ohne Telefon (nachts Akku laden nicht vergessen!) und ein gutes Buch (nicht zu dünn!) verlassen... "Langfristig" gibts in Nepal aber natürlich auch, z.B. Bestellungen (haben heute ein Regal abgeholt, dass Indra vor 10 Monaten bestellt hat), Examenskorrekturen (Bachelor oder Masterergebnisse gehen schneller, da muss man im Schnitt nur 6-7 Monate warten) oder politische Entscheidungen (an einer neuen Verfassung wird jetzt seit 3 Jahren gearbeitet)...

Immer der Nase nach...

Ok, ich wollte aber eigentlich von unserem Besuch in Kathmandu erzählen. Es war Freitag Nachmittag und wir hatten soeben eine Gruppe französischer Voluntäre verabschiedet, die die letzten 3 Wochen bei uns verbracht hatten (Bericht folgt!). Ich freute mich, denn kurz darauf sollte es für 3h Strom geben, die ich nach nunmehr 3 Wochen mal wieder zum ungestörten Arbeiten, Email schreiben und Skypen zu nutzen gedachte...

Es ergab sich jedoch, dass es Sunchita, der Frau von Indra, nicht so gut ging und er mit ihr zum Arzt fahren wollte. Da der Nepalese an sich sehr gesellig ist, unternimmt er Reisen (Ausflüge länger als 20 min) selten alleine. Am besten kommt die Mutter mit, dann muss sich zudem über keine Entscheidungen während der Reise den Kopf zerbrechen). Da die Fahrt von Bhaktapur nach Kathmandu aber mindestens 30 Minuten dauert sollte ich also mitkommen. Da ich weiß, dass sich an solche Besuche oft eine Übernachtung anschließt, fragte ich sicherheitshalber nach. Antwort: "Oh, nein nein, ich glaube wir kommen danach wieder nach Hause, ich muss morgen früh noch so viel machen..."

Der besagte Hügel am Rande der Stadt.
"Ich glaube" hat erfahrungsgemäß einen sehr, sehr hohen Kurzfristigkeitskoeffizienten, besonders wenn der Planungsinhalt mit den Interessen einer Frau kollidiert (speziell DEINER Frau! Dann sollte man den Koeffizienten hoch 2 nehmen...). Ich packte also Zahnbürste, Schlafsack und etwas zum Beschäftigen ein und nahm meinen gewohnten hinteren Platz auf Indras Motorrad ein. Immerhin ergab sich diesmal ausnahmsweise nicht, dass wir auf dem Weg noch kurzfristig eine offene Yoghurtschale, einen großen Heizstrahler oder eine schwere Autobatterie aufgabeln würden, die nur "irgendwer" während der Fahrt halten müsste...

Der wohl einzige orange-rosafarbene Tempel Nepals.
Als wir ankamen stellte sich heraus, dass außer der Mutter von Sunchita, die mit Essen kochen beschäftigt war, keiner zu Hause war. "Falk, may be you can look after the baby...?! We'll be back in may be 2 or 2.5 h..." Da "may be"einen ähnlich hohen Koeffizienten hat wie "Ich glaube", freute ich mich riesig! Schließlich wird das Baby noch gestillt und meine Chancen für eine erfolgreiche Dauerbesänftigung des Klienten standen etwa 1:1000, aber was blieb mir anderes übrig.

Das Problem löste sich von selbst. Beim ersten fröhlichen Seufzer des Kindes kam die Mutter besorgt ins Zimmer und schleppte das Baby in die Küche ab. Noch bevor mein Stolz ob dieser Unfähigkeitserklärung verletzt werden konnte, durchzuckte mich ein Gedanke: Freiheit! =) Schon auf dem Weg zu Sunchitas Wohnung hatte ich einen nicht zu weit entfernten Tempel auf einem Hügel erspäht, der mir allein auf Grund seiner Farbgebung (orange-rosa!) ein lohnenswertes Ausflugsziel zu sein schien und machte mich sofort auf den Weg. Nach der Motorradfahrt tat die Bewegung gut und die untergehende Sonne verlieh der ansonsten eher unschönen Umgebung einen harmonischen Anblick.

Mr. Tempel im Profil.
Nach kurzem Spaziergang erreichte ich den Tempel, wo ich mich gleich in zwei Fettnäpfchen stürzte. Erstens erwischte ich den Eingang und zweitens verpasste ich es meine Schuhe schon vor der Treppe auszuziehen. Zu meiner Verteidigung kann ich jedoch sagen, dass der Besuchereingang klein und wenig zentral angelegt war und alle Hinweisschilder auf Devanagari waren. Mit Touristen wie mir rechnet hier offensichtlich keiner... Ich wurde jedenfalls sehr schnell und sehr deutlich darauf hingewiesen, aber es war ansonsten nicht weiter schlimm.

"Nun, wie hältst Du es mit der Religion... und mit mir?"
Im Gegenteil, der freundliche Herr führte mich anschließend sogar durch den Tempel, in dem ein kleines Modell der gesamten Anlage mit aktuellen und geplanten Bauten stand. Es stellte sich heraus, dass der Krishna-Tempel Zentrum einer eigenen Religionsgemeinschaft war, die sich auf diesem Hügel eine Art autarker Basis mit Lehrzentrum, Unterkünften für Schüler und Lehrer und anderen Gebäuden einrichtete. Nun ja, ich glaube bei uns würde das Ganze als Sekte deklariert werden, aber diese Vermutung entspricht natürlich nur meinem subjektiven Empfinden (Wenn man bei Google die Seite des Krishna Pranami Youth Councils aufrufen will, erscheint die Meldung: Warnung - ein Besuch dieser Website kann ihren Computer beschädigen!...)

Dies ist wohl gemerkt nicht der Besuchereingang...!
Ich machte also von draußen ein paar Photos (drinnen war es nicht erlaubt...) und ging in einem Bogen zurück nach Hause. Als Indra und Sunchita zurückkamen war es überraschenderweise doch schon recht spät..."Falk, may be we stay here and go back tomorrow, what do you think?"


Ich mag die Nepalesen! =)

Sonntag, 13. Februar 2011

Weihnachten - Teil 1

Da reist man ans andere Ende der Welt um fremden Kulturen zu begegnen und wer steht an Weihnachten vor der Tür? Die Eltern! Wo mancher Ausreißer schockiert gewesen wäre habe ich mich natürlich riesig gefreut! Auch wenn mich zu keinem Zeitpunkt das Heimweh geplagt hatte, war ich nach einem Monat Nepalerfahrung pur durchaus empfänglich für vertraute Gespräche, warme Hotelzimmer, noble Frühstücksbuffets, bequeme Taxifahrten und geführte Touren auf Deutsch. Insofern war ich sehr froh, sie im Laufe ihrer zweiwöchigen Rundtour gleich dreimal treffen zu können und dabei ein wenig Heimatluft zu schnuppern. Zum ersten mal sahen wir uns für zwei Tage in Kathmandu, der Haupstadt Nepals.
Einfach unglaublich - meine Eltern in Bhaktapur!

Kathmandu (Kantipur) ist zwar eine Großstadt mit knapp 1 mio Einwohnern, doch das bedeutet keineswegs, dass hier Arm und Reich aufeinander prallen würden. Die Leute sind durchgängig so arm wie in anderen Teilen Nepals und auch der Strom fällt zu den üblichen Zeiten aus. Wasser und Feuerholz sind sogar besonders knapp und so bringt Indra manchmal auf seinen Besuchen bei Sunchita eine Notration Holz mit.  Einge wenige Ausnahmen gibt es aber natürlich schon: Das Luxushotel "Malla", in dem meine Eltern wohnten, sticht deutlich heraus und gewährt dem Europäer etwas westlichen Komfort. Ich konnte die Wahl meiner Eltern also nur begrüßen! Vor allem das Frühstücksbuffet und die warme Dusche waren einer längeren Auseinandersetzung würdig... =)
Luxusoase im Großstadtdschungel: Das Malla-Hotel in Kathmandu.

... und das sonst übliche Straßenbild!

Obwohl die Stadt übersät ist mit religiösen Schreinen und kleinen Tempeln, findet man die größte Ansammlung im historischen Zentrum. Rund um den alten Königspalast am Durbar Square steht ein Zeitzeugnis neben dem anderen. Wer hier bei der Führung nicht richtig aufpasst, hat später große Probleme bei der Zuordnung der einzelnen Tempel...!
Der ehemalige Königspalast am Durbar Square.

Mit den Tempeln ist es wie im Deutschunterricht: Meistens Shiva (Schiller) oder Vishnu (Goethe).

Garuda, das fliegende Reittier von Vishnu.

Offensichtlich eine eher unfreundliche Inkarnation von Shiva... oder Vishnu...


Direkt benachbart zum Tempelbezirk befindet sich ein Relikt jüngerer Tage, die sogenannte "Freak Street". Hier fanden Hippies alles was sie zum Leben brauchten, vor allem also billige Hotels und ausreichend "Material". Heutzutage scheint jedoch das Klientel zu fehlen und man findet hauptsächlich normale Geschäfte und dazu noch ausgezeichnete Bäckereien...
Life is eeeaaasy in Freak Street.

Ein besondere Persönlichkeit von Kathmandu ist die Kumari. Sie gilt bis zu ihrer ersten Regel als lebende Göttin, darf ihr Haus nur zu bestimmten Festen verlassen und sich keinem Fremden zeigen. Natürlich wird für den reichen Touristen eine Ausnahme gemacht: Wer bereit ist ein etwas größeres Bakschisch zu zahlen, bekommt sie für 5 Sekunden zu sehen, darf allerdings kein Photo machen. Ich hatte einmal das zweifelhafte Glück eine Gruppe von Asiaten zu treffen, die sich dieses "Erlebnis" geleistet hat. Der Anblick eines derart instrumentalisierten Kindes kann einen jedoch nur traurig stimmen.

Hier zeigt sie sich schon gar nicht! Wer die Kumari sehen möchte muss in den Hinterhof.


Neben einem der drei ehemaligen Königssitze besitzt Kathmandu aber noch eine andere Besonderheit, nämlich den einzigen internationalen Flughafen Nepals. Das ist kaum zu überhören, denn ganz Kathmandu liegt quasi in der Einflugschneise (was aber natürlich keinen stört). Alle Trekkingtouren und Rundreisen starten demnach von hier und wer noch schnell ein paar Ausrüstungsgegenstände - inklusive der passenden Träger - für seine Everestbesteigung oder Souvenirs für zu Hause benötigt, findet alles was er sucht im Touristenviertel Thamel. Es versteht sich von selbst, dass es hier alle Markenprodukte nur im Original gibt! Zu meinem Leidwesen musste ich jedoch feststellen, dass nicht nur diese "Originale" von eingeschränkter Qualität sind: Auch mein no-name Baumwollhemd verlor noch vor der ersten Wäsche alle Knöpfe!
"Hello Sir, I make you good price...!"

Wer wie wir das nonplusultra-Paket gebucht hat, kann - Dank eines kundigen Führers, eines mutigen Fahrers und eines guten deutschen Zeitplans - innerhalb von zwei Tagen zusätzlich zur Innenstadt auch noch die vier Highlights der näheren Umgebung besichtigen. Das erste davon ist Swayambhunath, ein auf einem nahe gelegenen Hügel befindliches Kloster mit Stupa. Wer den Aufstieg auf sich nimmt wird neben den Kulturgütern auch noch mit einem herrlichen Blick auf die Stadt belohnt. Für den Touristen gut zu wissen: Immer schön im Uhrzeigersinn herum gehen und die Gebetsmühlen nur mit der rechten Hand drehen! 

Big Buddha is watching you...

Buddhistischer Tempel neben der Stupa.

Gebetsmühlen um die Stupa herum.

Stupas im Sonnenschein.

Das Kloster zu Swayambunath.

Die Fußstapfen von Buddha!!! Demnach muss er recht klein gewesen sein...


Ein weiteres sehenswertes Ziel ist Bodhnath. Auch hier gibt es eine riesige Stupa mit altem sowie neuem Kloster zu bewundern, nur diesmal liegt das ganze mitten in den belebten Straßen von Kathmandu. Wie bereits in Swayambunath sind jedoch auch hier die Touristen den Gläubigen zahlenmäßig weit überlegen, so dass die sakrale Stimmung dieser Orte nicht so recht aufkommen mag.
Berliner vor der Stupa von Bodhnath.

Buddhistischer Mönch beim Gebet.

Das neue Kloster zu Bodhnath.

Beten, niederknien, ausstrecken, aufstehen - und das 108 mal hintereinander!

Die große Gebetsmühle von Bodhnath.

Ganz anders dagegen sieht es in Pashupatinath aus. Hier liegt einer der größten und bedeutendsten Shiva-Tempel Asiens, was man schon am massiven Pilgerstrom leicht erkennen kann. Nichtgläubige dürfen immerhin aus der Entfernung ein Photo machen und das umgebende Tempelgelände besichtigen. Dabei lernt man schnell die praktische Funktion des sogenannten Affentempels kennen: Direkt an einem Fluss gelegen (im Winter eher ein Rinnsal, aber heilig ist heilig!) ist der Ort einer der begehrtesten Bestattungsplätze im Kathmandutal. Es gibt ein kleines Sterbehaus, Verbrennungsstätten und Räume für die Angehörigen zum Übernachten. Insbesondere beim Tod eines Familienvaters gelten für gläubige Angehörige (vor allem den ältesten Sohn) für zwei Wochen strenge Auflagen bzgl. Nahrung, Kleidung, Schlafplatz und Ausgang. Insgesamt ein sehr beeindruckender Ort, aber nichts, wo man sich gerne länger aufhalten würde. Selbst die Affen sind recht angriffslustig und nicht gerade zum Streicheln aufgelegt

Einlasskontrolle am Eingang.

Bis  hier und nicht weiter! Im Hintergrund ist Nandi, der Stier Shivas zu erkennen.

Die Beisetzungsstelle in Pashupatinath.

Nur aus der Entfernung süß: Die Namensgeber des Tempels.

Pilter aus Indien bei der Rast.


Stattdessen lieber weiter zum letzten Higlight der Region, nämlich Patan (Lalitpur). Neben Bhaktapur und Kathmandu befindet sich hier der dritte ehemaliger Königssitz, was sich in der beeindruckenden Tempelansammlung widerspiegelt. Heute ist die Stadt schon fast vom expandierenden Kathmandu geschluckt, so dass man bequem von einer Stadt in die nächste wandern kann.


Der Durbar Square von Patan.

Geläutet wird immer mal wieder, aber leider nie zur vollen Stunde.

Tempel am Durbar Square von Patan.

Nach dieser geballten Kulturladung zog ich mich erst einmal wieder in mein ruhiges Bhaktapur zurück, während sich meine Eltern ohne Pause tapfer in das Dschungeldickicht des Chitwan-Nationalparks stürzten. Wenige Tage später sollten wir uns aber schon wiedersehen, nämlich in Pokhara. Dazu bald mehr im nächsten Bericht...
Unter Dickhäutern: Chitwan-Nationalpark im Süden Nepals.