Samstag, 18. Dezember 2010

Bhaktapur - Die Stadt

Wenn man Bhaktapur (Bhadgaon) betritt kann man sofort nachvollziehen, warum diese Stadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Nicht nur prächtige Tempel finden sich an jeder zweiten Straßenecke, sondern nahezu jedes Haus weist kunstvoll geschnitzte Holzrahmen, Türen und Balkone auf (was nicht heißen soll, dass auch alle in guter Verfassung sind!). Fast alle Tempel und viele der Gebäude stammen ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert. Zu der damaligen Zeit lieferten sich die drei rivalisierenden Malla-Könige in Bhaktapur, Kathmandu und Patan einen erbitterten Wettkampf um die prächtigste Stadt des Tals. Dies führte zur einer rasanten Entwicklung der darstellenden Künste in der Region - leider auf Kosten der Bevölkerung, die letztendlich für das verschwenderische Wirtschaften aufkommen musste.


Typisches Nepali Haus in Bhaktapur.

Bei manchen Häusern fragt man sich, warum sie eigentlich noch stehen...

Die Stadt ist aber nicht nur optisch sondern auch städteplantechnisch wahrlich aus dem Mittelalter! Wer sich hier nicht auskennt und ohne Karte unterwegs ist, kann leicht unfreiwillig Stunden in den unzähligen verwinkelten, engen Gassen zubringen, die bereits bei Abenddämmerung jegliches Restlicht schlucken (nein, ich hab mich nicht verlaufen. Wirklich nicht!...). Ein Glück ist die Stadt so klein, dass man nur geradeaus gehen muss um innerhalb kurzer Zeit auf einen der zentralen Plätze zu gelangen oder nach spätestens einer halben Stunde den gegenüberliegenden Stadtrand zu erreichen.

Stadtrand von Bhaktapur


Das ehemalige Zentrum von Bhaktapur ist Tachupal Tole. Inzwischen liegt der Platz etwas am Rand der Stadt, was einen aber nicht von einem Besuch abhalten sollten. Neben zwei beeindruckenden Tempeln, einem Museum und einer Reihe reich verzierter Häuser findet man hier auch ein absolutes Highlight nepalesischer Holzschnitzkunst und mein persönliches Lieblingsstück: Das peacock-window.

Peacock window

Aufbau des Bhimsen-Tempels

Tachupal Tole mit Dattatreya-Tempel


Der weitaus größte Platz ist der Durbar Square. Hier liegt der ehemalige Königspalast und eine Reihe imposanter Tempelanlagen, die zu einem bedeutenden Anteil mit deutschen Entwicklungshilfegeldern restauriert wurden. Überhaupt genießt Deutschland hier einen sehr guten Ruf. Das liegt einerseits an der tatkräftigen deutschen Unterstützung bei der Entwicklung eines Zu- und Abwassersystems für Bhaktapur, verbesserter Straßen und diverser Restaurationsarbeiten, andererseits an der Fußballbegeisterung der Nepalesen, die uns in den letzten Jahren mehr Glück gewünscht hätten. Ansonsten ist der Durbar Square vor allem dann eine gute Adresse, wenn man ein wenig Ruhe sucht (dies ist der einzige Ort in Bhaktapur, an dem keine Motorräder erlaubt sind!) oder aber ein paar lokale Führer sucht, die alle Geschichte studiert und zufälligerweise auch noch Verwandte in Deutschland haben...

Durbar Square, rechts der Eingang zum ehemaligen Königspalast.


Der "55 window palace"

Löwe vor dem Siddhi-Lakshmi-Tempel


Am liebsten aber bin ich am Taumadhi Tole, der nur wenige Schritte von Indras Haus entfernt ist. Hier steppt Tag und Nacht der Bär, pulsiert das Leben in einem permanenten Strom von Bauern, Händlern, Musikern, Geistlichen, Feiernden, Touristen, Tieren und allem möglichen anderen. Gerade wenn abends der Strom ausfällt kommen viele hierher um die Gelegenheit zum Einkaufen zu nutzen oder eine Kleinigkeit zu essen. An solch einem Ort kommt dem überforderten Ordnungsliebhaber die Tatsache zugute, dass sich hier der höchste Tempel Nepals befindet: Der Nyatapola- oder auch five-roof Tempel. Von seiner obersten Treppenstufe aus kann man das chaotische Gewusel aus sicherer Entfernung beobachten, was auch von Einheimischen gerne genutzt wird. Von Taumadhi Tole aus startet am nepalesischen Neujahrsfest (Bisket Jatra, Mitte April) ein riesiger Tempelwagen, der von den Massen mit Hilfe riesiger Holzräder und Spurrillen im Boden einmal durch die ganze Stadt gezogen wird. Auf dem Höhepunkt des Umzugs versuchen die zwei Stadtparteien (Ost/West) dann in einem Wettstreit den Wagen auf ihre Seite zu ziehen (nein, da gibt es keine Absperrgitter, Anti-Konflikt-Teams oder Eventmanager - da ist HalliGalli angesagt!!!).

Nyatapola-Tempel am Abend

Bhairabnath-Tempel, an der Seite die Räder für den Umzug




Im Fokus des spirituellen Lebens steht vor allem der dem Nyatapola-Tempel gegenüberliegende Bhairabnath-Tempel. Dort wird nicht nur gebetet und Musik gemacht, sondern auch alle Nase lang irgendwelche Tiere geopfert. Die "oberflächliche" Reinheit von Heiligtümern spielt hier praktisch keine Rolle, woran man sich als Europäer erstmal gewöhnen muss. Egal ob Lebensmittel, Farbe oder die Köpfe geopferter Tiere - alles was Glück bringt und Böses abwendet wird auf Gottesabbilder geschmiert oder um sie herum verteilt. Die hygienischen Konsequenzen kann man sich leicht ausmalen...

Hm, also links ist Vishnu und rechts könnte mal Krishna gewesen sein...


Am Rande der Stadt stößt man auf die Abbilder der Stadt. Dazu gehören z.B. riesige Bassins, die vor langer Zeit als Wasserspeicher angelegt worden waren und noch heute benutzt werden. Der lonely planet schreibt zu ihnen:
"In the mornings and afternoons, locals gather by the ponds to bathe, socialise, take romantic walks and feed the giant carp and turtles that keep the water free from detritus." Ich will das mal so stehen lassen ...

Lust auf einen romantischen Spaziergang?
Naja, gut dass man heutzutage alles wegzoomen kann...

Je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernt, desto größer werden die Müllkippen. Nepal hat ein riesiges Müllproblem, da aus Kostengründen keine öffentliche Entsorgung, geschweige denn Recycling stattfindet. Das heißt, dass jede einzelne Plastiktüte früher oder später irgendwo auf dem Boden landet. Also nix mit verpacktem Brot oder Snickers, obwohl beides mich schon reizt...(hmpf)

Müll ist ein riesiges Problem in Nepal


Schließlich erreicht man die "nepalesischen Highways", die Bhaktapur mit Kathmandu, Thimi und Banepa verbinden: Staubige Asphalt oder Sandpisten, deren Nicht-fein-Staubbelastung pro Minute ungefähr 5 Zigaretten entsprechen dürfte. Hier kann man eigentlich nur noch mit Staubmaske rumlaufen und wer es sich leisten kann bezahlt jemanden dafür alle 30 min sein Aushängeschild an der Straße freizulegen.

Ost-West-Highway Kathmandu-China

Hier lohnt sich kein Feinstaubfilter mehr!

Da geh ich doch lieber in mein mittelalterliches Stadtzentrum zurück!

Straßenszene in Bhaktapur

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