Dienstag, 24. Mai 2011

Lektion am Langtang - Tag 4

Es kann weitergehen. Per ist zwar noch nicht wieder völlig auf auf dem Dampfer, aber es reicht zum Ablegen. Dafür hören wir, dass unser Gastgeber seit längerem unter starken Rückenschmehrzen leidet. Per versorgt ihn mit Schmerztabletten und versucht ihm die Anwendung klarzumachen. Das ist nicht ganz einfach, denn "starke Medikamente" kennt man hier nicht. Uns selbst stärken wir lediglich mit einem warmen high-calorie-porridge und machen uns auf den Weg. Wie versprochen begleitet uns der Inhaber des Pilgrims. Das Pferd lässt er jedoch im Stall, als er hört, dass Nina und ich unsere Rucksäcke selber tragen werden und so lädt er sich Pers Sachen selber auf.

Porridge am Morgen vetreibt Kummer und Sorgen.
Nach einer halben Stunde erreichen wir die von einer Lawine zerstörten Häuser des Nachbardorfes und unterhalten uns kurz mit den Anwohnern. Es ist bedrückend zu realisieren, dass wir nicht wirklich helfen können. Wir spenden etwas Geld für den Wiederaufbau der Häuser, aber der Verlust eines Vaters und eines Kindes ist durch nichts wiedergutzumachen.

Am Unglücksort.
Wir folgen dem Verlauf des Tals, das jetzt nun fast eben ist und erreichen nach etwa 2h Kyanjin Gompa (3860 m), den Endpunkt des Langtangtreks. Die Siedling liegt auf einem Plateau am Rande des Tals, umgeben von einer Reihe kleiner und mittelhoher Berge, die für ihre schönen Aussichten bekannt sind.

Ohne Steigung geht es jetzt schnell voran.

Großer bemalter Gebetsfelsen am Ufer des Langtang.

Kyanjin Gompa, im Hintergrund links der Tsergo Ri.
Aus Dank für seine Mithilfe lassen wir uns bereitwillig von unserem tibetischen Freund zu seinem zweiten Gasthaus führen und beziehen unser Quartier. Der Himmel ist zwar zunehmend bewölkt, aber auch heute zieht es uns raus zu einem Spaziergang. Immerhin gibt es nicht viel anderes zu tun und der Tag ist noch lang. Während Per im Gasthaus bleibt um sich auszuruhen, machen Nina und ich uns also auf die Umgebung zu erkunden.

Rast nach der Ankunft in unserer Lodge.

Auf den "Luxus" dieser Dusche haben wir bereitwillig verzichtet...
Um Kyanjin Gompa gibt es Aussichtspunkte in unterschiedlichen Höhen, darunter einen Gletscher (4300 m, zurzeit unsicher), den Kyanjin Ri (4600 m, ca. 3h, machbar) und den Tsergo Ri (4984 m, ca. 5h, sehr engagiert). Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit würden wir nur Zeit für einen einzigen Besteigungsversuch haben, bevor wir wieder den Rückweg Richtung Syabrubesi antreten müssen. Nun muss man sagen, dass die vergangenen Tage unheimlich schön gewesen waren, doch die Berge hatten wir immer nur aus dem tiefen Tal heraus gesehen. Dazu kam noch, dass wir vom Rumsitzen in Langtang am vergangenen Tag kribbelige Füße bekommen hatten. Für uns alle war Kyanjin Gompa mit seinen 3800 m bereits ein neuer Höhenrekord, aber wir wollten jetzt endlich mal RICHTIG hoch hinaus um gute Sicht zu haben. Zunächst dominierte noch Ninas Vernunft. Wie automatisch faselte sie Dinge wie "keine Zeit", "nicht gut genug ausgerüstet" und "hirnverbrannt". Im Unterbewusstsein aber war es auch ihr schon völlig klar und so gab sie ihre restlichen Bedenken auf. Es gab nur einen Berg, der für uns in Frage kam: Der Tsergo Ri.

Strotzender Optimismus vor unserem Erkundungsgang.
Um unsere Akklimatisierung schneller voranzutreiben wählen wir also den Weg zum Tsergo-Ri. Der Plan war nur ein paar Meter höher zu klettern und sich mit der Umgebung bekannt zu machen, aber schon nach ca. 50 Höhenmetern kommt unser Vorstoß zu einem Halt. Nina hat plötzlich dröhnende Kopfschmerzen und ich komme schlichtweg mit dem Atmen nicht mehr hinterher. Bisher waren wir von Anzeichen der Höhenkrankheit verschont geblieben, wenn man einmal von gelegentlichen Schlafschwierigkeiten absah. Hier aber schien sie sich zum ersten mal deutlich bemerkbar zu machen und so drehen wir wieder um und steigen hinab.

"Hey Falk, warum keuchst Du denn so?!?"

Wieder unten im Tal.
Kyanjin Gompa ist nicht der Endpunkt des Langtangtals, das sich in einem Bogen noch einige Kilometer weiter Richtung Tibet erstreckt. Noch etwas benommen von unserem kurzen Aufstieg trotten wir ein Stück weit das Tal entlang, bevor wir auch hier aufgeben. Der Wind hat zugenommen und pfeift uns nun mit eisiger Kälte um die Ohren. In Ermangelung einer Mütze wickel ich mir meinen Pullover um die Ohren und stelle fest, dass für die Besteigung des Tsergo Ri ein vernünftiges Paar Handschuhe und eine Mütze ganz nützlich sein könnten...

Unterwegs in Richtung Tibet.

Nina hat mitten auf dem Plateau ein windstilles Plätzchen entdeckt!

Oh man, kann Bergsteigen ungemütlich sein...
Zurück im Dorf päppeln wir uns mit warmem Tee auf und decken uns, sehr zur Freude der ansässigen Bevölkerung, mit reichlich Wollkleidung und auch dem ein oder anderen Souvenir ein. Am Nachmittag wird es zunehmend ungemütlich draußen. Während Nina sich von den Strapazen unseres Ausflugs erholen muss, geht es Per nun ein wenig besser und so machen wir uns beide nochmal auf das örtliche Kloster (Gompa) zu besuchen. Im Gegensatz zum Kloster in Langtang gibt es jedoch nicht wirklich etwas interessantes zu sehen und so besichtigen wir stattdessen die Dorfbäckerei von innen. Die Zimtschnecken, die wir erwerben, sind nach der kulinarischen Orgie in Langtang jedoch ein schwerer Schock: Ein Geschmack wie Kohle und eine Konsistenz wie Granit.

Das Kloster Kyanjin Gompa.
Den Rest des Tages verbringen wir mit Kartenspielen, Kniffel und Diskussionen in der Stube. Die Einschätzung der nepalesischen Guides für eine Besteigung des Tsergo Ri fällt unterschiedlich aus. Von "kein Problem" über "schwierig, aber machbar" bis hin zu "würde ich nicht machen" ist alles dabei. Wir bleiben bei unserem Entschluss es zumindest zu probieren und im Zweifelsfall abzubrechen. Als wir ins Bett gehen ist an Schlaf eigentlich kaum zu denken: Der Wecker steht auf 5:30 und alle Gedanken drehen sich nur um die uns bevorstehenden 1124 m Aufstieg...

Morgen ist es soweit...

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