Mittwoch, 23. März 2011

Ein Date mit Anna Purna

Es mag unglaubwürdig scheinen, aber als ich mich entschied nach Nepal zu gehen spielte der Gedanke an Trekking-Touren im Himalaya keine Rolle. Mehr noch, ich war festen Willens die Zeit ausschließlich zum Arbeiten zu nutzen und hatte mich darauf eingestellt vom Land vermutlich nicht viel zu sehen zu bekommen. Das änderte sich, als eine Gruppe französischer Voluntäre für drei Wochen bei uns vorbeikam. Wir verstanden uns sofort sehr gut und sie fragten mich ob ich nicht Lust auf eine Wanderung im Annapurna-Gebiet hätte. Ich lehnte spontan ab, schließlich war ich ja nicht zum Vergnügen hier! Es war aber schon zu spät, der Keim war gesetzt. In den folgenden Tagen wuchs er größer und größer, bohrte sich durch meinen dämlichen Idealismus und ließ mich nur noch an Berge denken. Zwei Tage vor ihrer Abreise sagte ich zu und freute mich wie ein Schneekönig auf die Fahrt!

Mit dem Wind im Rücken - Himalaya ich komme!!!
Unser Wandergebiet lag am Rande des Annapurna-Naturschutzparks nördlich von Pokhara, das wie bereits berichtet eine halbe Tagesreise westlich von Kathmandu liegt. Aus Kostengründen hatten wir uns für den Bus entschieden und ich war gespannt den Vergleich mit dem Flieger anzustellen. Morgens um 5 gings also mit dem Taxi nach Kathmandu zum Buspark, wo wir unseren "tourist bus" bestiegen (die 2. Liga unter den Reisebussen, aber immerhin nicht die 3.!). Müde aber aufgeregt nahmen wir unsere Plätze ein und ich stellte zufrieden fest, dass mein Sitz vollkommen in Ordnung war. Nur leider der Sitz vor mir nicht. Marie lag nämlich mehr auf meinem Schoß als dass sie saß. Der fürsorgliche Reiseleiter beruhigte mich: "I will check". Damit war jegliche Hoffnung auf Besserung vergebens und ich stellte mich auf eine lange Fahrt ein...

vvnh: Elise, Marin, Charlotte, Marie & Matthieu, daneben mein Platz.

Auf dem Weg nach Pokhara.

Schließlich kamen wir leicht durchgeschüttelt aber heil in Pokhara an, wo wir uns in einem Gasthaus einquartierten. Ich war noch nicht wieder richtig fit und so verbrachte ich den Abend im Bett, während die Jungspunde die Innenstadt unsicher machten.

Der Fewa-Lake in Pokhara.
Nachdem wir unsere Zugangspapiere für den Nationalpark (teuer) erstanden und Charlottes komplett  abgelöste Sohlen wieder notdürftig festgetackert hatten, nahmen wir den Bus nach Phedi (1130 m), einem Zweihäuserdorf am Rande des Reservats.

Knochenreiben nach anderthalb Stunden luftigen Ritts auf dem Busdach.

Eine kurze Stärkung und dann ging es gegen halb 4 los. Leichtsinnig? Ach was, vor uns lagen ja nur 600 Höhenmeter bis zum ersten Gasthaus, die erste Diskussion über den richtigen Weg war ausgebrochen und um 5 sollte es dämmern - optimale Startbedingungen also für unser  kleines Katastrophenteam!

Zur Eingewöhnung gings die ersten anderthalb Stunden nur bergauf.
Gerade noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Dhampus (1770 m), unsere erste Station. Das Gasthaus ist erstaunlich komfortabel und kostet gerade mal 50 Cent pro Nase. Darüber hinaus erfahren wir, dass für das gesamte Trekkinggebiet ein einheitliches Menu mit nepalesischen und westlichen Gerichten  festgelegt wurde, was dem verwöhnten Touristen sehr entgegenkommt - auch wenn in meinen Augen das gute alte Daal Bhaat das beste von allen war!

Gerade noch mal gut gegangen: Ankunft in Dhampus bei Dämmerung.
Am nächsten Morgen dann unser erstes beeindruckendes Bergerlebnis:  Machhapuchhare ("Fishtail") zeigte uns seine majestätische Spitze und wir konnten es kaum erwarten wieder loszuziehen.

Machhapuchhare im Morgengrauen.
Es folgte ein wunderschöner Tag bei strahlendem Sonnenschein, der irgendwie noch ein bisschen schöner wurde, als wir von Heimkehrern hörten, dass die letzten vier Tage trübe Sicht gewesen war. Die Stimmung war glänzend, mein grummelnder Magen vergessen und unsere Kameras im Dauereinsatz.

Dorfhütten entlang des Weges.

Auf dem Weg nach Landruk.
Ein Stück vor Landruk kehrten wir erneut in einem kleinen Gasthaus ein und genossen unsere erste "warme" Dusche (zumindest bei den Ladies war sie wohl noch warm gewesen). Danach entspannten wir bei Kartenschreiben und -spielen und machten einen kleinen Rundgang durchs Dorf. Nach dem Essen schmetterten wir noch freudig einige Lieder, bis uns die angespannte Stille draußen ein schlechtes Gewissen bereitete und wir uns auf unsere Zimmer zurückzogen.

Elise und Charlotte beim Abendprogramm.

Der nächste Tag erfüllte uns zunächst mit etwas Respekt. Wir mussten nämlich das Tal durchqueren, was erst 600 m runter und anschließend 1000 m wieder hoch bedeutete. Dank der sich ständig wandelnden Umgebung waren wir aber ausreichend abgelenkt, so dass wir den Tag trotz der Anstrengung voll genießen konnten. Als wir gegen Abend auf 2630 m Höhe in Tadapani ankamen zog Nebel auf. Überhaupt wirkte die Siedlung auf einem Bergrücken etwas unwirtlich. Die zweite beunruhigende Entdeckung war unsere Unterkunft. Die hatte den lauen Temperaturen draußen nämlich wenig mehr als etwas rissiges Sperrholz entgegenzusetzen und so flüchteten wir sofort nach dem Essen in unsere Betten, wo wir uns für den Rest des Abends unter Decken verkrochen.

Dichter Dschungel und Warnschilder vor wilden Tieren - Wandern in der Gruppe ist doch schon schön...

Gipfelklima draußen wie drinnen: Unsere Unterkunft in Tadapani.

Marie, Marin und Elise in Thermoadaptionsmontur.
Über Nacht hatte sich der Nebel verzogen und wir setzten unsere Wanderung bei bestem Wetter fort. Gegen Mittag dann der erste Dämpfer. Marin fühlte sich nicht gut und so erstiegen wir eine nahegelegene Aussichtsplattform nur zu fünft.

Die reduzierte Mannschaft auf dem Aussichtsturm.
Kaum waren wir wieder bei Marin angekommen, hüllte uns jedoch plötzlich wieder dichter Nebel ein. Innehalb von Minuten sah man keine 20 m mehr. Davon ließ sich unser Katastrophenteam aber natürlich nicht einschüchtern und so gings im Gänsemarsch weiter. Dank der grölenden Koreaner vor uns war der Weg eh kaum zu verfehlen...

Himalayanische Suppe vom feinsten.
Kurz vor Ghorepani (2875 m) reduzierte dann ein langgezogener vereister Anstieg unser Marschtempo auf einen Schlag drastisch. Von nun an lief man nur noch wie auf Eiern und mir wurde klar, warum die vielen Asiaten auf dem recht eindeutigen Weg alle einen Führer (meistens gleichzeitig Träger) hatten: An dem konnte man sich beim Auf- und Abstieg hervorragend festhalten! Stöcke hatte nämlich praktisch keiner und bei manchen Touristen fragte man sich auch ein bisschen wer die eigentlich ins Gebirge gelassen hatte...

Gaaanz voo-HO!-orsichtig...
Schließlich erreichten wir am späten Nachmittag Ghorepani, die zentrale Station unserer Tour. Das Dorf selbst hat außer einer (ganz hervorragenden!) Bäckerei nichts zu bieten, profitiert aber ganz wesentlich von seiner Nähe zum Aussichtspunkt "Poon Hill" auf 3210 m Höhe. Hier tummeln sich daher in der Saison die Touristenscharen, die auf kürzestem Wege hierher gelotst werden, schnell ein Photo a la "awesome Himalaya sight!" machen und zur nächsten Station düsen können. Glücklicherweise hatten während unseres Aufenthalts "nur" Koreaner Saison, wodurch der Bevölkerungsgrad des Dorfes noch recht erträglich war. Während es mir zunehmend besser ging, lag neben Marin jedoch nun auch Matthieu mit einem Virus flach. Da wir auf dem Weg hierher einen Tag eingespart hatten, entschieden wir uns daraufhin an dieser Stelle einen Pausentag einzulegen.
Nicht schön, aber günstig gelegen: Ghorepani.
Trotz unserer Abneigung gegen den Massentourismus waren auch wir natürlich nur Touristen und wollten uns das Highlight von Poon Hill nicht entgehen lassen: Den sagenumwobenen Sonnenaufgang! Früh am nächsten Morgen reihten wir uns also in die scheinbar endlose Kette von Photojägern, die sich in teils heilloser Überforderung den Hügel hinaufquälten. Kaum oben angekommen begann auch schon die Schlacht um die besten Aussichtsplätze. Jetzt war nicht die Zeit um Bekanntschaften zu machen - es galt bis zum entscheidenden Moment die soeben hart erkämpfte freie Sicht zu wahren. Hierzu war dem müden Eventsammler jedes Mittel recht: Das Stativ ("Nimm das große!") wurde bis zum Anschlag ausgefahren und möglichst sperrig positioniert ("Entschuldigung, darf ich mal...!"), Kanonenrohr-artige Objektive wurden dem störenden Vordermann so lange in den Rücken gebohrt, bis dieser seinen Platz räumte ("Anfänger...") und auch die gut genährten Kinder kamen nun endlich zum Einsatz, indem sie taktisch günstig im Weg rum standen ("Mami, ich seh nichts!" "Das macht nichts, Ihr könnt Euch später die Photos von Papi ansehen!"). Kurz, es war ein großes Hallo und ich war froh, dass Koreaner so klein gewachsen sind. Schließlich bekamen wir tatsächlich einen tollen Sonnenaufgang mit wolkenfreiem Himmel zu sehen und nahmen mit Blick auf die Annapurna- und Daulaghiri-Region zufrieden ein kleines Frühstück zu uns. Noch vor vollständigem Aufgang der Sonne trat der Großteil der Massen bereits wieder den Rückweg an(glücklich und um ca. 1000 Photos reicher) und bald darauf war der ganze Spuk vorbei..

Tausende zogen in die Wildnis um die Einsamkeit zu suchen...
Unsere Kranken kehrten nun zum Erholen wieder zu ihren Zimmern zurück und auch die anderen aus der Gruppe wollten den freien Tag zum Gammeln nutzen. Mit der freien Sicht auf die langgezogene Bergkette und das traumhafte Wetter konnte ich aber unmöglich herumsitzen und entschied mich alleine einen Ausflug zu einem etwas abgelegeneren Aussichtspunkt zu unternehmen. Es stellte sich heraus, dass auf eben diesem gerade ein Hotel gebaut wurde aus außerdem Bäume die Sicht versperrten. Die drei Stunden einsamer Wanderung dorthin und zurück sollten aber zu den schönsten Erinnerungen gehören, die ich in meiner ganzen Zeit in Nepal gesammelt habe und niemals vergessen werde.

Himmel und Erde, sonst nichts.

Zukünftiger Blick aus einem der Hotelzimmer am Aussichtspunkt.

Träger auf dem Weg zur Baustelle, bei denen ich einen kleinen Stop einlegte.

Verwitterter Heuschuppen vor dem Panorama des Dhaulagiri-Höhenzugs.

Zurück in Ghorepani fand ich eine etwas gelangweilte Truppe vor, die sich in Ermangelung einer interessanten Beschäftigung vor dem Bäcker stationiert hatte und in kulinarische Orgien vertieft war ("Mit Honig!"). Ich setzte mich bereitwillig dazu und wir verbrachten den Rest des Nachmittags mit der Bekämpfung von Apfelstrudeln und Zimtstangen in der Sonne. Im Laufe des Abends ging es Marin und Matthieu wieder so gut, dass wir beschlossen am nächsten Morgen weiterzuziehen.
Biscuits mit Honig - Marins absolutes Favourite! Im Hintergrund die Bäckerei.

Der Weg von Ghorepani nach Naya Pul ist der kürzeste Zugang zu Poon Hill, was sich in einer entsprechend höheren Dichte von Wanderern niederschlug. Auch diverse Mulikarawanen begegneten uns, was aber den Genuss der schönen und vielfältigen Landschaft beim Abstieg nicht schmälerte.

Für unsere Mitglieder mit Höhenangst immer wieder eine Prüfung: Die Hängebrücken!

Das Tal beim Abstieg.

Ein Muli für alles: Essen, Zement, Stoffe, Haushaltsmittel, Hühner...

Immer dem Flussverlauf folgend.

Kurz vor Naya Pul machten wir ein letztes mal Halt und feierten die schöne Tour gebührend mit Daal Bhaat und Bier. Trotz des bevorstehenden Abschlusses war die Stimmung bestens, zumal wir nach sieben Tagen unterwegs auch langsam genug hatten und uns auf "zu Hause" freuten.

Klein aber günstig: Eine übliche Unterkunft für 50 Cent.


Nicht so gut wie Löwenbräu, aber auch lecker: Das nepalesische "Everest".

Blick von der Terrasse am Fluss.

Die Ankunft in Naya Pul war ernüchternd. Eine recht langweilige Stadt mit dreckigen Straßen und viel Beton. Wir beeilten uns zum Busbahnhof zu kommen, von wo wir aus in gewohnter Mannier ein Busdach erklommen und uns nach Pokhara bringen ließen. Dort kehrten wir noch einmal in unserem bereits auf dem Hinweg erprobten Gasthaus ein und nutzten den letzten Tag um einige der Bekleidungs- und Souvenirläden in der reichlich kommerzialisierten Innerstadt aufzukaufen.

Die Innenstadt von Naya Pul.

Auf dem Weg zurück nach Pokhara.

"Shopping!!!"

Früh am nächsten Morgen gings zurück nach Bhaktapur. Die Fahrt war ähnlich komfortabel wie auf dem Hinweg, doch mit den Bildern der vergangenen Tage im Kopf machte uns das alles nichts mehr aus. Es war eine tolle Fahrt gewesen, sowohl von der Zusammensetzung der Gruppe als auch von der Wanderroute her, die ich nur jedem empfehlen kann, der das Glück hat für einige Zeit nach Nepal kommen zu können. Zum Schluss noch zwei Bilder als Appetitanreger (zum Vergrößern draufklicken) und ein dezenter Hinweis, dass im September eine neue Saison mit traumhaften Wanderbedingungen anbricht, für die es schon jetzt Flüge gibt...

Annapurna mit Hiun Chuli und Machhapuchhare.


Bauernhaus vor Dhaulagiri.

Sonntag, 20. März 2011

Happy Holi!

Gestern war in ganz Nepal "Holi", auch das Fest der Farben genannt. Die Photos dazu will ich Euch  nicht vorenthalten, denn der Name kommt natürlich nicht von ungefähr: Man schmeißt mit Farben und Wasser auf alles was sich bewegt und erinnert damit an den Sieg eines Gottes über einen Dämon. Manche sagen auch es war eine sexuelle Begegnung zwischen dem Gott und einer Göttin. Vielleicht war es auch beides, man weiß es nicht so genau...

Zunächst bin ich mit Jeremy und Carole, zwei Langzeitvoluntären wie mir aus Frankreich, die vor einigen Tagen in Bhaktapur eingetroffen sind, zu Indras Bruder gelaufen, wo ein bisschen gefeiert werden sollte. Abgesehen von ein paar Wasserbomben kamen wir recht unbeschadet am Zielort an, wo wir sofort mit roter Farbe begrüßt wurden. Das anschließende "Feiern" bestand jedoch hauptsächlich aus Rumhängen, Essen, Trinken und Kartenspielen, so dass wir uns bald nach dem Essen wieder verabschiedeten.

Das Kochteam bei der Arbeit.

Die "Partycrowd."

Lecker Lunge!

Der Rückweg wurde uns schon eher zum Verhängnis. Erst bekamen wir die Hucke voll Wasser, dann wurde die rote Farbe durch reichlich Gelb erweitert, als ich unvorsichtigerweise ein Photo von einer der marodierenden Partybanden machte.

Für das Photo musste ich mich komplett gelb einreiben lassen

Jeremy und Carole bei unserer Ankunft zu Hause.
Zu Hause angelangt machten wir erstmal Pause und versuchten die Farbe loszuwerden. Das war leider nicht so einfach denn wir hatten mal wieder keinen Strom und damit auch keine Dusche. Ich war dennoch mit meinem Ergebnis ganz zufrieden, als es klopfte: Biseh und Boris, komplett verunstaltet und teilweise leicht angetütert, kamen um mich abzuholen und ließen keinen Widerspruch zu. Also zog ich wieder los...

Biseh und Boris, das neue Partykommando...
Auf dem Weg zu Bisehs Wohnung lernte ich viele von Bisehs Freunden kennen. Viele Freunde mit viel Alkohol und viel Farbe. Manche lernte Biseh auch erst kennen. Das spielte aber keine Rolle, sie waren alle sehr glücklich ihn und auch mich "traditionell" begrüßen zu dürfen und taten das eifrig. Als wir bei ihm zu Hause angekommen waren, hatte das Farbpulver auch die letzte Kleiderbarriere überwunden...

Frisch frittiert und knackig: Süße "Sel" bei Biseh zu Hause.

Heute durfte man auch mit Essen spielen!
Nach einem kurzen "energiereichen" Snack sollte es eigentlich auf den Rückweg gehen, aber natürlich kam es anders. Bereits am Hauseingang wurden wir von einer johlenden Truppe umringt (alles Freunde von Biseh, wie er mir lautstark versicherte), die uns auf einen kleinen Streifzug durch die Nachbarschaft einluden. Wer könnte da nein sagen...?

Ich sag nur "hackedicht"!

Wer kann legt zwischendurch mal eine Dusche ein.
Als ich Abends wieder zu Hause ankam, war ich eine wandelnde Farbwolke und unsere Haushaltshilfe freute sich sehr, aber was sollte man machen ohne Strom? Egal, es war ein abwechslungsreicher Tag gewesen, alle hatten ihren Spaß gehabt und dem siegreichen Gott war gebührlich gehuldigt worden!

"Happy Holi!"