Samstag, 23. Juli 2011

Im "Malaria-Valley"

Nachdem ich ursprünglich mit etwa 10 Monaten in Nepal gerechnet hatte, musste ich bereits nach 5 Monaten feststellen, dass das schwierig wird: Mit dem Touristenvisum durfte ich mich insg. nur 6 Monate im Land aufhalten. Das allein wäre noch kein Problem gewesen, denn ich hatte rechtzeitig einen "study visa"-Antrag gestellt, mit dem ich das Datum meiner Ausreise selbst hätte festlegen können. Leider steckte der Antrag jedoch im Verwaltungsapparat der Tribhuvan University in Kathmandu fest und weder ließ sich die Bearbeitung durch wiederholte Anrufe katalysieren, noch war ich bereit den Antrag durch freizügige Vergabe von Scheinchen loszuspülen.

Die einzige Uni Nepals: Die TU in Kathmandu

Der Lageplan des Campus spricht glaube ich für sich...
Da auch weitere gute Praktikumsmöglichkeiten ausblieben, entschied ich mich also notgedrungen nach 6 Monaten einen Schlussstrich zu ziehen und wieder nach Hause zu fliegen - und freute mich seitdem wie ein Schneekönig darauf! Auf einmal waren da wieder all die Leute und Dinge, auf die ich mich freute, in meinem Kopf und wollten ihn nicht mehr verlassen. In dieser Verfassung stieg ich in den Vipassana-Kurs ein, was gleichermaßen hilfreich wie schwierig war. Als ich zurückkam blieben auf einmal nur noch 2 Wochen um das College in Biratnagar zu besuchen, was ich der Schule schon vor meiner Abreise nach Nepal zugesagt hatte! Also setzte ich mich schon einen Tag nach dem Kurs in den Flieger und flog nach Biratnagar.

Ab in den Süden...!
Es war wie eine andere Welt. Bisher hatte ich mich fast ausschließlich im Kathmandutal bewegt, was im mittleren Hügelland auf ca. 1300 m liegt Nun wisst Ihr ja bestimmt alle, dass Nepal nur zu einem Drittel im Himalaya liegt, während der Rest aus Hügelland und Flachland (Terai) besteht. Biratnagar, die zweitgrößte Stadt Nepals, befindet sich ganz im Südosten des Landes auf ca. 300 m und nur 5 km von der indischen Grenze entfernt. Das Terai (ehemals "Malaria-valley" genannt) ist Dank Mücken, Giftschlangen, tropischen Bedingungen und überhaupt fehlender touristischer Attraktionen bis heute bei Besuchern (wie auch bei Nepalesen aus dem Kathmandutal) recht unbeliebt, schon gar im Sommer, wenn der Monsun im Anmarsch ist und das Thermometer in Richtung 40 klettert. Kurz gesagt: Keine Sau würde Ende Mai ins Terai fahren!!!

Für alle, die noch nie nachgeschlagen haben: So sieht Nepal aus!
Ich hatte mich also auf zwei Wochen im Todesdschungel vorbereitet, die Adressen der nächstgelegenen Schlangengiftkliniken rausgesucht (Neu-Delhi), mir die größte Chemiekeule besorgt, die es gegen Mücken zu Kaufen gab (eine ranzige Pulle, die 2008 abgelaufen war - so was brauchen Nepalesen offensichtlich nicht!), noch schnell lange Hosen in Auftrag gegeben ("Das ist leider noch nicht fertig, Sir, aber in 2 Wochen, bestimmt...!") und meinen "Welt-unter!"-Bundeswehrponcho aus Deutschland einfliegen lassen. Damit hatte ich mich nun einigermaßen vorbereitet gefühlt, meldete mich aber trotzdem sicherheitshalber nochmal bei meiner Familie...

Ich hoffe der Name ist hier nicht Programm! Schule in Biratnagar.

Laut Schild eine Karateschule in Biratnagar...

Süß und irgendwie aus einer anderen Zeit: Der "School Van"!

Der lokale Rasenmäherservice!

Die Hauptstraße in Biratnagar.

Der Markt in der Innenstadt.

Bamboo Construction GmbH & co. KG
Natürlich war am Ende alles halb so wild wie befürchtet und ich sollte eine tolle Zeit in Biratnagar haben. Tatsächlich wollte man das Haus mittags angesichts der Hitze draußen nicht verlassen und auch der Monsun ließ ab und an ein wenig die Muskeln spielen, aber es gab nichts, an das man sich nicht hätte anpassen können. Bharat, mein Gastgeber vom College und baldiger Freund, kümmerte sich rührend um mich und versorgte mich mit allem, was ich brauchte (sprich Tisch, Stuhl, Wasser und Internet). Ich durfte nicht nur umsonst in seiner (nach nepalesischem Standard) Luxusvilla wohnen und mitessen, wir gingen auch zusammen auf den Markt, machten gemeinsame Ausflüge in die Umgebung und schmiedeten nach dem Unterricht große Pläne für den Aufbau wissenschaftlicher Früherziehungsstrukturen in Nepal.

Bharats bequeme Bude.

Mein neues Zimmer mit direktem Zugang zur Dachterrasse!

Blick vom Dach auf die gehobene Nachbarschaft.

Bharat und meine Wenigkeit beim Abendessen (gegen 22:00! Frühstück gabs um 9...).

Teeplantage in Ilam, nahe Darjeeling.

Der große Markt etwas außerhalb der Stadt.

Man merkt gleich: die indische Grenze kann nicht weit sein!

Frischer gehts nicht: Kurz betäuben, in Stücke schneiden und eintüten. Voila!
Wie schon in Bhaktapur profitierte ich auch in Biratnagar von der riesigen Gastfreundschaft der Nepalesen und lernte nochmal einen ganz anderen Kulturkreis kennen. Da sich, wie bereits erwähnt, kaum Touristen jemals in diese Region verirren, war ich in der Südstadt schon bald so bekannt wie ein bunter Hund und konnte mich nicht über mangelnden Kontakt zur lokalen Bevölkerung beklagen. Dabei waren die Leute auch hier unheimlich freundlich, offen und interessiert: Was man denn hier treibt, wo man denn herkommt, ob man schon verheiratet ist (definitiv die häufigste Frage, egal wohin man kommt!), ob man nicht eine Nepalesin heiraten möchte (die zweithäufigste...) usw. Egal ob beim Einkauf selbst oder nur auf dem Weg in die Stadt, man musste immer die doppelte Zeit einplanen, um zwischendurch mal eine Teeeinladung annehmen zu können, einer Schulstunde beizuwohnen, eine Runde Fußball mitzuspielen oder eine Runde auf einem Motorrad zu drehen ("Aber ihr seid doch schon zu dritt?" "Kein Problem, Sir, kommen Sie...")

Die Innenstadt von Biratnagar.

Jungs beim Cricketspiel.

Ein "Lastkraftfahrrad".

Mein morgendlicher Weg zum Science Campus.
Mit der neuen Umgebung, diverser Stunden am College, zahllosen Streiktagen und Ausflügen vergingen die Tage wie im Fluge und schon war es wieder Zeit sich zu verabschieden. Mit dem Versprechen wiederzukommen flog ich zurück nach Bhaktapur, ohne Schlangenbiss, ohne Malaria und ohne Hitzestich, dafür mit vielen neuen Eindrücken und schönen Erinnerungen im Gepäck, um die letzten Vorbereitungen für
meine Rückkehr nach Deutschland zu treffen...

Na gut, ab und zu hat's schon ein bisschen genieselt...

Die Hauptverkehrsstraße an einem ganz normalen (Streik-) Tag.

Betelnut trees als Wäschetrockner.

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