Da reist man ans andere Ende der Welt um fremden Kulturen zu begegnen und wer steht an Weihnachten vor der Tür? Die Eltern! Wo mancher Ausreißer schockiert gewesen wäre habe ich mich natürlich riesig gefreut! Auch wenn mich zu keinem Zeitpunkt das Heimweh geplagt hatte, war ich nach einem Monat Nepalerfahrung pur durchaus empfänglich für vertraute Gespräche, warme Hotelzimmer, noble Frühstücksbuffets, bequeme Taxifahrten und geführte Touren auf Deutsch. Insofern war ich sehr froh, sie im Laufe ihrer zweiwöchigen Rundtour gleich dreimal treffen zu können und dabei ein wenig Heimatluft zu schnuppern. Zum ersten mal sahen wir uns für zwei Tage in Kathmandu, der Haupstadt Nepals.
Kathmandu (Kantipur) ist zwar eine Großstadt mit knapp 1 mio Einwohnern, doch das bedeutet keineswegs, dass hier Arm und Reich aufeinander prallen würden. Die Leute sind durchgängig so arm wie in anderen Teilen Nepals und auch der Strom fällt zu den üblichen Zeiten aus. Wasser und Feuerholz sind sogar besonders knapp und so bringt Indra manchmal auf seinen Besuchen bei Sunchita eine Notration Holz mit. Einge wenige Ausnahmen gibt es aber natürlich schon: Das Luxushotel "Malla", in dem meine Eltern wohnten, sticht deutlich heraus und gewährt dem Europäer etwas westlichen Komfort. Ich konnte die Wahl meiner Eltern also nur begrüßen! Vor allem das Frühstücksbuffet und die warme Dusche waren einer längeren Auseinandersetzung würdig... =)
Obwohl die Stadt übersät ist mit religiösen Schreinen und kleinen Tempeln, findet man die größte Ansammlung im historischen Zentrum. Rund um den alten Königspalast am Durbar Square steht ein Zeitzeugnis neben dem anderen. Wer hier bei der Führung nicht richtig aufpasst, hat später große Probleme bei der Zuordnung der einzelnen Tempel...!
Direkt benachbart zum Tempelbezirk befindet sich ein Relikt jüngerer Tage, die sogenannte "Freak Street". Hier fanden Hippies alles was sie zum Leben brauchten, vor allem also billige Hotels und ausreichend "Material". Heutzutage scheint jedoch das Klientel zu fehlen und man findet hauptsächlich normale Geschäfte und dazu noch ausgezeichnete Bäckereien...
Ein besondere Persönlichkeit von Kathmandu ist die Kumari. Sie gilt bis zu ihrer ersten Regel als lebende Göttin, darf ihr Haus nur zu bestimmten Festen verlassen und sich keinem Fremden zeigen. Natürlich wird für den reichen Touristen eine Ausnahme gemacht: Wer bereit ist ein etwas größeres Bakschisch zu zahlen, bekommt sie für 5 Sekunden zu sehen, darf allerdings kein Photo machen. Ich hatte einmal das zweifelhafte Glück eine Gruppe von Asiaten zu treffen, die sich dieses "Erlebnis" geleistet hat. Der Anblick eines derart instrumentalisierten Kindes kann einen jedoch nur traurig stimmen.
Neben einem der drei ehemaligen Königssitze besitzt Kathmandu aber noch eine andere Besonderheit, nämlich den einzigen internationalen Flughafen Nepals. Das ist kaum zu überhören, denn ganz Kathmandu liegt quasi in der Einflugschneise (was aber natürlich keinen stört). Alle Trekkingtouren und Rundreisen starten demnach von hier und wer noch schnell ein paar Ausrüstungsgegenstände - inklusive der passenden Träger - für seine Everestbesteigung oder Souvenirs für zu Hause benötigt, findet alles was er sucht im Touristenviertel Thamel. Es versteht sich von selbst, dass es hier alle Markenprodukte nur im Original gibt! Zu meinem Leidwesen musste ich jedoch feststellen, dass nicht nur diese "Originale" von eingeschränkter Qualität sind: Auch mein no-name Baumwollhemd verlor noch vor der ersten Wäsche alle Knöpfe!
Wer wie wir das nonplusultra-Paket gebucht hat, kann - Dank eines kundigen Führers, eines mutigen Fahrers und eines guten deutschen Zeitplans - innerhalb von zwei Tagen zusätzlich zur Innenstadt auch noch die vier Highlights der näheren Umgebung besichtigen. Das erste davon ist Swayambhunath, ein auf einem nahe gelegenen Hügel befindliches Kloster mit Stupa. Wer den Aufstieg auf sich nimmt wird neben den Kulturgütern auch noch mit einem herrlichen Blick auf die Stadt belohnt. Für den Touristen gut zu wissen: Immer schön im Uhrzeigersinn herum gehen und die Gebetsmühlen nur mit der rechten Hand drehen!
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Big Buddha is watching you... |
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Buddhistischer Tempel neben der Stupa. |
Ein weiteres sehenswertes Ziel ist Bodhnath. Auch hier gibt es eine riesige Stupa mit altem sowie neuem Kloster zu bewundern, nur diesmal liegt das ganze mitten in den belebten Straßen von Kathmandu. Wie bereits in Swayambunath sind jedoch auch hier die Touristen den Gläubigen zahlenmäßig weit überlegen, so dass die sakrale Stimmung dieser Orte nicht so recht aufkommen mag.
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Berliner vor der Stupa von Bodhnath. |
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Das neue Kloster zu Bodhnath. |
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Beten, niederknien, ausstrecken, aufstehen - und das 108 mal hintereinander! |
Ganz anders dagegen sieht es in Pashupatinath aus. Hier liegt einer der größten und bedeutendsten Shiva-Tempel Asiens, was man schon am massiven Pilgerstrom leicht erkennen kann. Nichtgläubige dürfen immerhin aus der Entfernung ein Photo machen und das umgebende Tempelgelände besichtigen. Dabei lernt man schnell die praktische Funktion des sogenannten Affentempels kennen: Direkt an einem Fluss gelegen (im Winter eher ein Rinnsal, aber heilig ist heilig!) ist der Ort einer der begehrtesten Bestattungsplätze im Kathmandutal. Es gibt ein kleines Sterbehaus, Verbrennungsstätten und Räume für die Angehörigen zum Übernachten. Insbesondere beim Tod eines Familienvaters gelten für gläubige Angehörige (vor allem den ältesten Sohn) für zwei Wochen strenge Auflagen bzgl. Nahrung, Kleidung, Schlafplatz und Ausgang. Insgesamt ein sehr beeindruckender Ort, aber nichts, wo man sich gerne länger aufhalten würde. Selbst die Affen sind recht angriffslustig und nicht gerade zum Streicheln aufgelegt
Stattdessen lieber weiter zum letzten Higlight der Region, nämlich Patan (Lalitpur). Neben Bhaktapur und Kathmandu befindet sich hier der dritte ehemaliger Königssitz, was sich in der beeindruckenden Tempelansammlung widerspiegelt. Heute ist die Stadt schon fast vom expandierenden Kathmandu geschluckt, so dass man bequem von einer Stadt in die nächste wandern kann.
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Geläutet wird immer mal wieder, aber leider nie zur vollen Stunde. |
Nach dieser geballten Kulturladung zog ich mich erst einmal wieder in mein ruhiges Bhaktapur zurück, während sich meine Eltern ohne Pause tapfer in das Dschungeldickicht des Chitwan-Nationalparks stürzten. Wenige Tage später sollten wir uns aber schon wiedersehen, nämlich in Pokhara. Dazu bald mehr im nächsten Bericht...
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Unter Dickhäutern: Chitwan-Nationalpark im Süden Nepals. |
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